zum Hauptinhalt

Berlin: Pilotprojekt an der Charité: Auch Eltern brauchen Trost

Auf der Frühgeburtenstation der Charité sollen künftig auch die Eltern stärker betreut werden. Der Verein "Deutsche Kinderhilfe Direkt" unterstützt das Klinikum im neuen Jahr mit einer eigenen Elternbetreuerin.

Auf der Frühgeburtenstation der Charité sollen künftig auch die Eltern stärker betreut werden. Der Verein "Deutsche Kinderhilfe Direkt" unterstützt das Klinikum im neuen Jahr mit einer eigenen Elternbetreuerin. Die Eltern, deren zu früh geborene Kinder kurz nach der Entbindung in die Brutkästen kommen, stehen unter großem Druck. Oft fiebern sie wochenlang mit den Kindern ums Überleben. Ein Kampf, der auch verloren werden kann.

"Die Schwestern auf der Station sind zwar sehr bemüht. Zeitlich und auch von der pädagogischen Ausbildung her sind sie aber nicht in der Lage, dieser psychologischen Belastung entgegenzuwirken.", sagt Ernst Ludwig Grauel, der Leiter der Klinik für Neonatologie in der Charite. Damit die Eltern sich mit ihren Ängsten künftig an eine fachkundige Person wenden können, wurde nun die Kinderhilfe um Unterstützung gebeten. Etwa 255 Frühgeburten kommen in der Charite jährlich zur Welt, dies bedeutet eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche. Etwa 70 dieser Kinder wiegen weniger als 1500 Gramm, etwa 30 sogar weniger als 1000 Gramm.

Ein solches Frühchen war auch Annika, die heute ein Jahr und damit über den Berg ist. Am 1. November 1999 in der 24. Woche geboren, brachte sie nur 380 Gramm auf die Waage, ihre zwei 400 Gramm schweren Brüder starben. Der eine zwei Tage nach der Geburt, der andere 14 Tage später an einer Erkältung. Die heute 30-jährige Mutter Birgit Stephan war schockiert. Sie schwankte zwischen Freude über das Überleben des einen Kindes und Trauer über den Tod der beiden anderen. Einen ganzen Monat traute sie sich nicht an die Kindbetten heran. Es war ihr Mann, der die Kleinsten wickelte, ihnen zusprach und so die erste Nähe herstellte. Erst nach diesen vier Wochen fand sie Zuversicht, dass ihr nun letztes Kind zu überleben schien. Das erste Mal in den Arm nehmen konnte sie ihr Baby allerdings erst zu Weihnachten 1999, als Annika bereits etwa 900 Gramm wog. "Normalerweise darf man die Kinder erst ab einem Gewicht von tausend tragen", sagt die ehemalige Schneiderin, die die Drillinge nach einer Hormonbehandlung zur Welt gebracht hatte. Sie fühlte sich nie allein; dennoch haben die Krankenschwestern wenig Zeit und können sich nicht täglich eine Stunde mit der Mutter hinsetzen, wie Professor Greuel betont: "Auch ich habe manchmal nur zehn Minuten Zeit. Und Annika war lange sehr krank und wir mussten immer wieder Rückschläge hinnehmen."

Damit der hohe Gesprächsbedarf von Eltern in Zukunft psychologisch aufgefangen werden kann, gibt es ab Dezember Suzanne Kruschwitz. Die 29-jährige Sozialpädagogin und Kinderkrankenschwester ist dann zunächst für ein Jahr werktäglich von 10 bis 18 Uhr für die Eltern da. Dabei gibt sie nicht nur seelischen Rückhalt, sondern begleitet auch zu bestimmten Ämtern. Die Betreuung soll aber über die stationäre Behandlung hinausgehen. "Die Eltern sollen auch nach der Entlassung wissen, wo sie ihren Ansprechpartner haben", sagt Suzanne Kruschwitz.

Die Deutsche Kinderhilfe Direkt hat sich mit 42 000 Mark an dem Pilotprojekt beteiligt. Etwa 8000 Mark gibt es aus den Töpfen der Charite. Unterstützt wird die privatwirtschafliche Initiative auch vom Senat. Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler sagt: "Ich finde dieses Projekt sehr wichtig. Nach einem Jahr Laufzeit diskutieren wir erneut, ob wir die Initiative weiterhin fördern." Unter den Gründern der Deutschen Kinderhilfe sind Eltern, die mit ihren Kindern ein ähnliches Schicksal erlebt haben, aber auch Firmen gehören zu den Förderern. Dies sind unter anderem die Werbeagentur Procter & Gamble, die die Gestaltung einer Kampagne spendet, sowie die Firma Wall, Vermieterin von Werbeflächen an Bushaltestellen.

Imke Sturm

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false