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Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) blickt vom Dach des WBM-Hochhauses am Platz der Vereinten Nationen in Berlin.

© Wolfgang Kumm/dpa

Pilotprojekt in Friedrichshain: In Berlin sollen die Plattenbauten wieder wachsen

Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte testet das Aufstocken von Plattenbauten. 50.000 neue Wohnungen könnten so entstehen. Bauministerin Hendricks sieht viele Vorteile.

Dass seine Q3A noch mal groß rauskommt, hätte sich Andreas Geisel nicht träumen lassen. Früher wohnte der Bausenator selber in der Niedrigplatte – „meine erste eigene Wohnung“ – vier Etagen, Flachdach, unscheinbare Nachkriegszeile. Jetzt könnte der Plattenbauzwerg (Querwandtyp, Nr.3, Variante A, erbaut 1957 bis ’69) den Wendepunkt der Berliner Neubaustrategie markieren, von der Breite in die Höhe. Keine Grünflächen mehr zubauen, sondern Häuser aufstocken. Ein Potenzial von 50.000 zusätzlichen Wohnungen sieht Geisel auf den Dächern der Hauptstadt.

24 Stockwerke, dann ist die Dachterrasse des WBM-Hochhauses am Platz der Vereinten Nationen in Friedrichshain erreicht. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte hat zwei Liegestühle plus Kunstrasenmatte aufgestellt, schließlich handelt es sich um die Sommertour der Bundesbauministerin. Barbara Hendricks, SPD, will sich die Pläne der WBM erläutern lassen, weil sie auch bundesweit eine Signalwirkung haben könnten. Von einer Million Wohnungen durch Dachaufstockungen ist die Rede.

Nachkriegsarchitektur nicht abreißen, sondern zwei bis drei Geschosse obendraufsetzen, in modularer Leichtbautechnik. Die Holzindustrie hat sich bereits in Stellung gebracht. Bei den Modularbauten für Flüchtlinge kam sie nicht zum Zuge, aber auf den Dächern könnte sie ihre Vorteile ausspielen. Man sei mit mit Herstellern im Gespräch, sagt WBM-Geschäftsführer Jan Robert Kowalewski. Als Pilotprojekt fungiert eine Q3A-Plattensiedlung an der Stralauer Allee, angeblich vom Hochhaus am Platz der Vereinten Nationen gut zu sehen, aber der Blick gegen die stechende Sonne ermüdet schnell die Augen.

Neu auf Alt: Vorschlag für eine Aufstockung von vier auf sechs Etagen.
Neu auf Alt: Vorschlag für eine Aufstockung von vier auf sechs Etagen.

© Simulation: WBM

2017 könnte ein Bauantrag gestellt werden

Die Berliner Beuth-Hochschule hat im vergangenen Jahr für die WBM Entwürfe und Studien gefertigt. Danach ließen sich die Viergeschosser ein- bis dreigeschossig aufstocken, 300 neue Wohnungen würden entstehen. Die Planungen sollen demnächst in eine Bauvoranfrage einfließen. 2017 könnte ein konkreter Bauantrag gestellt werden.

Neben den Q3A-Blöcken – berlinweit gibt es 29.000 Wohnungen dieses Typs – eignen sich auch andere Plattenbauten für eine Aufstockung: QP64, P2, IW57. Damit verkehrt sich die Sicht auf die Plattenbauten. Bis in die Nullerjahre hinein galten sie als ungeliebtes Erbe sozialistischer Billigarchitektur. Im Plattenbaumekka Marzahn-Hellersdorf wurden tausende Wohnungen abgerissen, um den Leerstand zu bekämpfen.

Auch für Bestandsmieter fällt was ab: Fahrstühle

Elfgeschossige Hochhäuser wurden auf Normalmaß halbiert und aufgehübscht. Jetzt können sie wieder aufgestockt werden, erneut in serieller Bauweise mit vorgefertigten Elementen. Auf diese Weise will die WBM Baukosten drücken, denn rein logistisch sei das Bauen auf dem Dach teurer als auf der ebenen Erde, sagt Kowaleski.

Ministerin Hendricks sieht vor allem Vorteile durch die Aufstockung: „Keine zusätzliche Versiegelung“, keine Grundstückskosten, eine kurze Bauphase und selbst für die Bestandsmieter falle etwas ab: Fahrstühle. Natürlich gehe für einzelne Mieter der gewohnte Ausblick verloren, aber es gebe eben kein „Anrecht auf ein unverbautes Gegenüber“.

Mieten zwischen acht und zehn Euro

Geisel interessieren vor allem die Mietkosten. Kowalewski kalkuliert mal vorsichtig „um die zwölf Euro“, aber Geisel findet das zu teuer. Also einigt man sich auf „acht bis zehn Euro“, ungefördert. Die Bestandsmieter in der Stralauer zahlen derzeit laut WBM etwa 5,50 Euro. Durch den Neubau auf dem Altbau könnte sich auch die soziale Mischung im Haus verbessern, sagt eine WBM-Managerin.

In den Plattenbauten rund um die Frankfurter Allee fühlen sich viele Mieter derzeit durch die geplanten Neubauten in den grünen Innenhöfen um ihr angestammtes Umfeld betrogen. Nachverdichtung bedeutet für sie den Verlust von Bäumen, von Freiraum und Ruhe. Möglicherweise wären sie eher für eine vertikale Aufstockung ihrer Häuser zu gewinnen.

Wie die Mieter an der Stralauer Alle denken, weiß man noch nicht. Die waren beim Sommertermin der Bauministerin nicht geladen. Aufstocken mit Holzmodulen hatten zuletzt die Grünen vorgeschlagen, ohne großen Nachhall zu finden. Jetzt findet auch die SPD die Idee gut. Solange es nicht auf einen klassischen Luxus-Dachgeschossausbau hinauslaufe, sagt Geisel.

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