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Berlin: Pinselheinrich ist sein eigener Türöffner Das Zille-Museum ist zwar neu, doch muss es noch einmal

den Standort wechseln

Man mag es nicht glauben: 73 Jahre vergingen nach dem Tod von Heinrich Zille (1858 bis 1929), bis in Berlin ein eigenes Zille-Museum entstehen konnte. Im Nikolaiviertel in Mitte ist die Novität untergebracht, doch die Adresse Propststraße 8, wenige Schritte vom Denkmal des Heiligen Georg, ist nicht endgültig. Das Museum hat hier für die kommenden drei Monate ein provisorisches Domizil in ehemaligen Büroräumen, die für die Ausstellung der etwa 150 Zeichnungen wenig geeignet sind, wie Museumsleiter Albrecht Pyritz gestern bei einem ersten Rundgang erklärte. In einem Vierteljahr werde man in das Haus gegenüber – Propststraße 11 – ziehen, wo besser geschnittene Räume mit 400 Quadratmetern Fläche und behindertengerechtem Zugang zur Verfügung stehen. Dort sollen künftig wechselnde Ausstellungen stattfinden, in denen nach und nach die ganze Bandbreite des Zilleschen Werks dokumentiert wird – solo oder im Kontext mit Arbeiten von Künstlerkollegen, verbunden mit literarischen und musikalischen Veranstaltungen.

Das von Mitgliedern der erst 1999 gegründeten Heinrich-Zille-Gesellschaft e. V. nach eineinhalbjähriger Vorbereitungszeit ins Leben gerufene Museum besitzt bisher keine eigene Sammlung, hofft aber, das eine oder andere Blatt auf dem Kunstmarkt oder aus privater Hand erwerben zu können. Dafür aber sucht man noch Sponsoren. Die Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen, die in der Ausstellung zu Leben und Werk des Künstlers gezeigt werden, stammen im Wesentlichen aus dem Besitz der Stiftung Stadtmuseum Berlin.

Wichtigster Verbündeter der Heinrich-Zille-Gesellschaft mit jetzt 101 Mitgliedern ist Zille selbst. Der bärtige Zigarrenraucher, der mit wenigen Strichen so unnachahmlich das Berliner „Milljö“ darzustellen vermochte, wirkt, obwohl lange tot, bei Behörden und Geschäftsleuten wie ein Türöffner. Denn im Allgemeinen dauert die Installation solcher Ausstellungen weitaus länger, wie der Vereinsvorsitzende Jürgen Erichson sagt. Er lobt Geschäftsleute im Nikolaiviertel und die Schultheiss Brauerei, die das Museum unterstützen, aber auch die Wohnungsbaugesellschaft Mitte, die bei der Suche nach Räumen half und bis auf weiteres auf die Miete verzichtet. Das hilft weiter, denn ansonsten ist von staatlicher Seite außer der Schirmherrschaft von Klaus Wowereit nicht viel zu erwarten.

Niemand freut sich mehr über das neue Museum als Pinselheinrichs Urenkel Hein-Jörg Preetz-Zille. Der 61-Jährige aus Bremervörde ist am Ziel seiner Wünsche, sieht gar eine Zille-Renaissance kommen, wenigstens mehr Aufmerksamkeit für das künstlerische Werk seines Urgroßvaters. Die Familie habe viel durch den Krieg verloren, doch einiges habe doch die Zeiten überstanden. Und so können Besucher ehrfurchtsvoll vor einem beklecksten Erbstück verharren - Zilles Staffelei, die mit einem vom Künstler benutzten Hocker aus dem Atelier in Charlottenburg über einige Zwischenstationen in der neuen Ausstellung einen Ehrenplatz erhielt. Helmut Caspar

Propststraße 8 (Mitte) täglich 10 bis 20 Uhr, Tel.030/24660226. Eintritt 3, ermäßigt 2 Euro, der Katalog erschien im Jaron Verlag, hat 48 Seiten und kostet 12 Euro.

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