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Berlin: PLANET & PLASTIK KUSS & SCHUSS AUTO & STRASSE HÄSCHEN & MÖHRCHEN LILA & LANG FÄCHER & FÄCHER HART & HERZLICH SCHLIPS & KRAGEN SCHWARZ & ROT Hier feiert der Homo sapiens

Mit Klaus Wowereit an der Spitze zogen 600000 Menschen am 25. Berliner Christopher Street Day durch die Stadt und warben für mehr Akzeptanz von Homosexuellen

Dass er nicht, wie sonst bei ähnlich feierlichen Anlässen, einsam an einem Pult stehen würde, seine Ansprache haltend, um anschließend den Startschuss zu geben, das hatte sich Klaus Wowereit vermutlich schon gedacht. Dass aber der Andrang rund um ihn herum so groß war, als er überpünktlich am Sonnabendmittag auf dem Kurfürstendamm den 25. Christopher Street Day eröffnete, hatte auch den Regierenden Bürgermeister ein bisschen überrascht. Es war in dieser Form schließlich eine Premiere. Wowereit wiederholte die Kernaussage seines Tagesspiegel-Interviews vom Vortag: „Der Kampf ist noch nicht gewonnen.“ Dann hakte er seinen Freund Jörn Kubicki ein, hinter ihm die Grünen-Politikerin Claudia Roth und die Drag-Queen Gloria Viagra. Und es ging los auf die sechs Kilometer lange Strecke. Dass das Bündel bunter Ballons, die ihm jemand in die Hand drückte, ausgerechnet von der GEW war, hat niemand als politische Aussage gewertet.

Die steht an einem solchen Tag ohnehin von vornherein fest. Lesben und Schwule feiern am Christopher Street Day sich selbst und fordern gleichzeitig, dass auch die letzten Reste von Diskriminierung oder Ungleichbehandlung weggefegt werden. Ihr bunter Zug, begleitet von tausenden Zuschauern – vor dem KaDeWe und am Nollendorfplatz standen die Leute in Zehnerreihen – hat zunehmend Volksfestcharakter. Das zieht immer mehr Gäste aus anderen Städten an.

Zum Beispiel aus Warschau. Die jungen Polen forderten gleiches Recht auch für Osteuropa. Oder aus Köln. Die rosa Funken fuhren auf einem der über 80 Wagen mit und waren erstaunt, dass auch die Berliner den Schlachtruf zum Kölner Christopher Street Day drauf haben: „Kölle, aloha!“ heißt er und parallel dazu grüßen sich alle mit einem abgebrochenen Handgelenk. Ja, Berliner können eben fast alles.

Die Stimmung am Sonnabend war noch ein bisschen ausgelassener als sonst, dem extrem paradentauglichen Wetter sei Dank. Die Teilnehmer und Zuschauer (600000 sollen es nach Angaben der Veranstalter gewesen sein, die Polizei zählte deutlich weniger) konnten Veränderungen feststellen, die sie unter Umständen nicht erwartet hatten. Zum Beispiel, dass jeder jedem in die Arme fallen konnte, in jedes Objektiv lachte, und bei den Hits mitsang. Zum Beispiel: „Tausend Mal berührt, tausend Mal ist nichts passiert.“

Die Partystimmung täuschte aber nicht darüber hinweg, dass der Christopher Street Day vor allem eine politische Demonstration ist. Türkische und arabische Homosexuelle zeigten die Parole „weg mit Schleier und Haft“ und forderten die Anerkennung von Homosexualität als Asylgrund. Der Lesben- und Schwulenverband mahnte noch für dieses Jahr ein Antidiskriminierungsgesetz an und die BVG- Mitarbeiter hatten sich das diesjährige Motto ganz groß auf ihren Doppeldecker geklebt: „Akzeptanz statt Toleranz“.

Gewerkschafter, Bahn-Mitarbeiter, Polizisten – alle waren dabei. Grüne, SPD, FDP und PDS versuchten sich bei ihren Wagen zu übertrumpfen. Relativ abgehängt: Die Lesben und Schwulen in der CDU – aber das wird bestimmt noch. Die anderen Parteien haben schließlich auch mal klein angefangen. Dass die Paraden-Logistik immer perfekter wird, bewies die Disco Connection. Sie hatte auf ihrem Laster an alles gedacht: Auf der Ladefläche gab’s sogar ein Dixi-Klo.

Fotos: Kitty Kleist-Heinrich[Te], Kai-Uwe Heinrich[Te]

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