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Planlose Politik: Das ICC wird zu Berlins Alptraumschiff

Soll man das ICC sanieren? Umbauen? Abreißen? Oder gar verrotten lassen? Es gibt viele Ideen und keinen Plan. Jetzt nimmt die Politik mal wieder einen neuen Anlauf.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Fest verankert zwischen Messegelände und Stadtautobahn erweckt das Internationale Congress Centrum (ICC) den trügerischen Anschein, es sei für die Ewigkeit gebaut. Aber die Zukunft des schimmernden Kolosses am Rand der City-West, immer noch das größte Kongressgebäude Europas, ist ungewiss. Trotz vieler Senatsbeschlüsse und dem Versprechen der rot-schwarzen Koalition, den Mammutbau zu sanieren und in seiner bewährten Funktion weiter zu nutzen. Doch an den Politikern nagen schlimme Zweifel, dass die Kosten für Schadstoffbeseitigung, Modernisierung und eine besser nutzbare Innenarchitektur nicht in den Griff zu bekommen sind.

Im neuen Landeshaushalt stehen noch jene 182 Millionen Euro, die SPD und Linke 2008 als finanziellen Rahmen festgelegt hatten. Jetzt heißt es senatsintern, das sei nur eine „grobe Schätzung“ gewesen, basierend auf dem Raumvolumen des ICC. Als die Stadtentwicklungsverwaltung im Dezember 2011 in einer internen Prognose zu dem Ergebnis kam, dass eine „Vollsanierung“ 330 Millionen Euro kosten könnte, führte dies zu schweren politischen Lähmungserscheinungen. Einig sind sich die Haushaltsexperten der Koalition bisher nur, dass 250 Millionen Euro  für die ICC-Sanierung die Schmerzgrenze sind. Aber es gibt keine brauchbaren Konzepte, die garantieren, dass dieses Limit eingehalten wird.

Ein Abriss, als bequeme Alternative, scheidet aus. Da sind sich SPD, CDU und Grüne einig. Das Gebäude ist so tief und weitläufig mit der benachbarten Stadtregion verwurzelt, dass eine Demontage bautechnisch kaum möglich ist und mindestens so teuer käme wie eine Sanierung. Die Kostenexplosion beim Abriss des Palastes der Republik ist im kollektiven Gedächtnis der Berliner Landespolitik haften geblieben.

"Wir haben unsere Hausaufgaben längst gemacht", sagt der Messesprecher.

Auch die Idee, das ICC als Kongresszentrum zu entwidmen und zu einer gigantischen Messehalle umzubauen, wurde wieder verworfen. Dies setzte voraus, dass der Bau entkernt und mit variablen Innenwänden versehen wird. Angesichts der vielen tragenden Bauteile aus Stahl und Beton sei dies „statisch kaum machbar“, sagt die ICC-Architektin Ursula Schüler-Witte, die sich für die Sanierung einsetzt. Die Baubehörde des Senats widerspricht dem nicht. Und auch mit dieser aufwendigen und risikoreichen Variante ließe sich kein öffentliches Geld einsparen. Einen Kaufinteressenten für das 1979 eröffnete und noch immer sehr gut ausgelastete ICC gibt es nicht, das ist seit Jahren ausgelotet. Der Senat könnte das 320 Meter lange „Raumschiff“ verrotten lassen, das wäre wohl eine preiswerte Sache. Niemand hat sich bislang getraut, dies ernsthaft zu erwägen.

Also bleibt nur die Sanierung. Stellvertretend für die Berliner Steuerzahler findet es Architektin Schüler-Witte „unverständlich, dass sich die Ermittlung der Sanierungskosten für das ICC über Jahre erstrecken und im Halbjahresabstand immer wieder neue und höhere Kosten genannt werden, die offenbar alle keine nachvollziehbaren Grundlagen haben“.

Bis heute sind 1,3 Millionen Euro nur für Gutachten ausgegeben worden. Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU) arbeitet zur Zeit an einer zusammenfassenden Expertise und schließt nicht aus, dass weitere Gutachten folgen werden.

Aber mit welchem Ziel? Wie man hört, erwartet Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) von der Kollegin von Obernitz und der Messegesellschaft ein neues Konzept für das ICC, das seine Verwaltung dann in verbindliche Kostenrechnungen und Baupläne umwandeln kann. Eine Sprecherin der Wirtschaftsverwaltung sagte dazu nur, dass sich die Gespräche noch „in einem Stadium der Meinungsbildung“ befänden. Die Messe wiederum fühlt sich von Müllers Erwartungen nicht angesprochen. „Wir haben unsere Hausaufgaben längst gemacht“, sagte Messesprecher Michael Hofer. Schon in der vergangenen Wahlperiode habe das Unternehmen einen detaillierten Bedarfsplan für die künftige Nutzung des Kongressgebäudes vorgelegt. Alles weitere sei Angelegenheit des Eigentümers – und nicht des Pächters.

Die Regierungsfraktionen von SPD und CDU zucken vorerst nur ratlos mit den Schultern und sichern sich gegenseitig zu, dass der Koalitionvertrag in Sachen ICC gilt. In einer Woche treffen sich dem Vernehmen nach die Vorsitzenden des Wirtschafts- und des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus mit den fachlich zuständigen Senatoren Müller und von Obernitz. Ende Februar beginnen im Parlament die Haushaltsberatungen für 2012/13, die bis zur Sommerpause abgeschlossen sein sollen. Spätestens dann muss ein bezahlbares Sanierungskonzept vorliegen, wenn die Bauarbeiten wie geplant 2014 beginnen sollen.

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