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Berlin: Platte im Stimmungstief

Der Regen drückt in Marzahn-Hellersdorf am Sonntagmorgen auf die Laune. Aber nicht nur der. Die PDS muss um ihren Wahlerfolg bangen

Von Steffi Bey

Die Stimmung in der PDS-Hochburg Marzahn-Hellersdorf ist am Sonntagvormittag gedrückt. Auch wenn die Anhänger der Sozialisten die Atmosphäre lieber als „verhalten optimistisch“ bezeichnen. Schönreden hilft nicht. Draußen regnet es in Strömen. Das miese Wetter verschlimmert die Wahltag-Depression noch. Aktuellen Umfragen zufolge müssen die Demokratischen Sozialisten um den erneuten Einzug in den Bundestag bangen. Deshalb setzen die PDS-Anhänger am östlichen Stadtrand große Hoffnungen auf Petra Pau, ihre Direktkandidatin, die „auf jeden Fall gewinnen will“.

Aber die Vorzeichen sind diesmal anders. Nicht mehr wie vor vier Jahren, als der überaus populäre Gregor Gysi mit 46,7 Prozent der Erststimmen in Marzahn-Hellersdorf siegte. Viele einstige PDS-Wähler können ihm seinen überstürzten Rückzug aus der Politik noch immer nicht verzeihen. Die meisten sagen offen, dass er der Partei damit schwer geschadete hat. „Ich fühle mich verraten und ehrlich gesagt verarscht“, sagt Student Lars Bönning aus Hellersdorf am Sonntag auf dem Weg zur Stimmabgabe. „Deshalb müssen die diesmal auf meine Stimme verzichten.“ Ob er sich jetzt für die schärfste Konkurrentin von Pau, Familienministerin Christine Bergmann (SPD) entscheidet, behält er allerdings für sich.

Von der tief roten Wahl-Linie im Marzahn-Hellersdorfer Plattenbaugebiet abgewichen sind schon vor Jahren die Ortsteile Kaulsdorf und Mahlsdorf. Im Siedlungsgebiet, das sich überwiegend südlich der Bundesstraße B1/5 erstreckt, gibt es einen starken CDU-Kreisverband. Mario Czaja hatte dort bei den Abgeordnetenhaus-Wahlen 1999 das einzige Direktmandat der CDU für das Berliner Parlament geholt. „Die PDS wird es dieses Mal besonders schwer haben“, ist sich ein junges Ehepaar aus Mahlsdorf sicher. Beide kennen „etliche Nachbarn, die sich bewusst für die Konservativen entscheiden. Weil die nachweisbar mit vielen öffentlichen Aktionen etwas für die Jugend tun“.

Rolf Weber aus Mahlsdorf gehört zu den Senioren, die am Wahlsonntag früh aufgestanden sind und noch vor dem Mittagessen im Wahllokal an der Kiekemaler Straße ihr Kreuzchen machen. „Für mich gibt es nur eine Alternative zu den etablierten Alt-Parteien: die PDS“, sagt der 70-Jährige. Die sei die einzige Partei, die mit Nachdruck die Interessen der Ostdeutschen vertrete. Eine ältere Dame sieht das ähnlich und hofft, das die Demokratischen Sozialisten siegen. Ein Teil der Anwohner wählt traditionell die PDS, ist aber, was den Wahlausgang betrifft, unsicher. „Wir müssen diesmal ganz schön bangen“, sagt ein junger Familienvater. Über die Gründe möchte er sich nicht auslassen.

Bis gegen 12 Uhr haben etwa 200 von insgesamt 900 Mahlsdorfern, die Wahlleiter Olaf Hackbarth im Wahllokal 501 erwartet, ihre Stimme abgegeben. In dem Gebiet mit den vielen teilweise neuen Einfamilienhäusern und schmucken Stadtvillen gibt es 1050 Wahlberechtigte, etwa 150 davon haben die Briefwahl beantragt.

In dem winzigen Kita-Raum bildet sich eine Menschenschlange, obwohl gar keine Grüppchen anstehen. „Es ist nicht mehr wie früher, als wir gemeinsam losgezogen und anschließend noch in einer Gaststätte eingekehrt sind“, sagt ein älterer Herr. Er hat seine Kreuzchen „natürlich an der richtigen Stelle gemacht“. Soll heißen, Petra Pau kann mit seiner Unterstützung rechnen. „Aber wir haben durch die innerparteiliche Krise reichlich Wähler verloren“, befürchtet er. Deutlich spürbar sei das auch auf der in der vergangenen Woche durchgeführten Abschluss-Wahlparty der PDS in der Treptower „Arena“ geworden. „Wenig Beteiligung, wenig junge Leute, wenig Zustimmung.“

„Der Vorsprung der PDS ist geschmolzen“, sagt eine aus dem Rheinland zugezogene Wählerin, die im grünen Mahlsdorf ein Häuschen gebaut hat. Das sei wohl der Preis für nicht gehaltene Versprechen und eine chaotische Parteilinie. Sie hat sich vorgenommen, dieses Jahr ganz anders zu wählen.

Genau wie ein junger Gewerbetreibender aus dem südlichen Teil des Großbezirks. Er wirkt richtig verärgert, als er sagt: Ich fühle mich durch die PDS wirklich nicht mehr repräsentiert. Eine demokratische Partei muss berechenbar sein, aber das sind die Demokratischen Sozialisten nicht.“ Ein Ehepaar, das gerade aus dem Wahllokal kommt, hört, was der Mahlsdorfer sagt und nickt zustimmend. „Wir haben trotzdem wieder PDS gewählt“, sagt der Mann. „Weil wir schon immer Rot gewählt haben“, ergänzt seine Frau fast entschuldigend. Und was versprechen sie sich nun davon? Beide gucken sich an und sagen: „Dass es endlich aufwärts geht im Osten“.

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