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Platzda!: Folge 12: Der Kurt-Schumacher-Platz

Ein paar Spaliere, einige Rabatten, vier Brunnen - und doch findet sich am Kurt-Schumacher-Platz kein ruhiges Eckchen. Das ist gleichzeitig sein Plus. Hierher kommt man wegen des Landebetriebs – noch.

Einladend ist sie nicht, die Kreuzung von Kurt-Schumacher-Damm, Scharnweber- und Ollenhauerstraße, die sich Kurt-Schumacher-Platz nennt. Optisch mag kein Piazza-Feeling aufkommen, akustisch erst recht nicht: Das unablässige Brausen der Autos wird alle paar Minuten vom Dröhnen der in Tegel landenden Flugzeuge unterbrochen.

Nicht alle klagen über den Fluglärm. Das Parkdeck des 1988 eröffneten Einkaufszentrums „Der Clou“ bietet einen ungehinderten Blick auf die nördliche Landebahn des Flughafens und ist beliebter Treffpunkt für Flugzeugfans. Seit vier Jahren betreibt Heinz Dulk hier von April bis September den Biergarten „Clou Corner“, über dessen Strandkörbe die Jets zum Greifen nah hinwegbrausen. Viele seiner Gäste kommen, um das zu erleben. Den Flugbetrieb habe er nie als Nachteil empfunden, sagt Dulk und ergänzt, der Straßenlärm sei hier oben auch zwischen den Überflügen kaum zu hören. „Ätzend“ findet er dagegen den Stau am Boden, wenn der Autobahntunnel unter dem Flughafen wieder einmal gesperrt ist und die Autofahrer sich über Umleitungsstrecken quälen.

Claudia Weber ist richtig froh, dass der Flughafen noch nicht geschlossen wird. Ihretwegen könnten die Jets immer weiter über den Platz dröhnen. „Das gehört einfach hierher“, sagt die Frau, die seit acht Jahren den „Altberliner Imbiss am Kutschi“ betreibt. Die Currywurst zu einszwanzig, jede weitere kostet einen Euro: Die Schlange vor ihrem Kiosk will nicht enden, 80 Prozent der Kunden sind Stammgäste. Leider kümmere sich der Bezirk zu wenig um den Platz, sagt sie. Mangels Müllbehältern landeten die Abfälle immer wieder in den Beeten, die von den Anliegern selbst gereinigt werden. Es gibt zu wenig Sitzmöglichkeiten und zu wenig Blumen. Außerdem hat eine Gruppe von Alkoholikern den Platz zu ihrem Treffpunkt erklärt. Immerhin: Nach vier Jahren ist endlich der Brunnen gleich neben dem Imbiss repariert worden.

Er ist einer von vier identischen Brunnenplastiken der „Clou“-Architekten Sternecker/Starr, die 1989 an den vier Ecken des Platzes aufgestellt wurden: vier auf einem quadratischen Becken stehende, vier Meter hohe Betonsäulen. Sie umgeben Rohre, aus denen ebenso Wasser sprüht wie aus den stählernen Pusteblumen in der Mitte. Im Volksmund heißen die „Wassertempel“, deren Fluss durch Windmesser geregelt wird, „Duschkabinen“.

Eine Erinnerung an den Namensgeber des Platzes, Kurt Schumacher, Sozialdemokrat der ersten Stunde, finden nur Eingeweihte – hinterm Hochbeet mit seiner beschmierten Einfassung, gleich neben der Terrasse eines Restaurants auf der Südwestseite. Das 1970 von Josef Henry Lonas fertiggestellte Denkmal besteht aus einem mit roten Stahlträgern eingefassten Betonblock. Durch Graffiti, Taubenkot und Werbeaufkleber verunziert, sieht er eher aus wie ein Abzugsschacht des darunter liegenden U-Bahn-Tunnels. In zwei Öffnungen befinden sich eine Inschrift und ein Bronzerelief des ersten SPD-Nachkriegsvorsitzenden.

Was sagen die Händler am Platz?

In der flachen Ladenzeile über dem U-Bahnhof hat sich eine bunte Mischung von Geschäften angesiedelt, vom Blumenladen über den Coiffeur bis hin zum Wettbüro. „Ich bin zufrieden“, sagt Erkan Aygin, der hier seit dreieinhalb Jahren Zeitungen und Tabakwaren verkauft und billige Telefongespräche in alle Welt anbietet. Den Fluglärm empfindet er als lästig, die Idee, die Verweilqualität am Platz zu steigern, gefällt ihm.

Auf der sonnigen Nordwestecke des Platzes sitzen die ersten Gäste auf den Stühlen vor dem Eiscafé Piazetta No 20. Dessen italienischer Betreiber will sich nicht zur Situation am „Kutschi“ äußern. Bringt ja doch nichts, meint er. Er will keinen Ärger. Gleich nebenan wirbt das kleine Hotel Bärlin nicht nur mit günstigen Preisen, sondern auch mit dem Blick auf die gleich vor den Fenstern einschwebenden Flugzeuge und die Nähe zum Airport. So international wie die Maschinen ist auch das (Fast-)Food-Angebot am Platz: Berliner Boulette, Currywurst, Döner Kebab, Pizza, vietnamesische Küche, argentinisches Steak.

Das Shoppingcenter mit seinen rund 50 Geschäften einschließlich Super- und Elektronikmarkt steht seit 24 Jahren auf der Südostecke des Platzes und bildet dort das beherrschende Element. 2003 wurde das Einkaufszentrum erweitert – inklusive Renovierung der Fassade und der Eingangsbereiche. Außerdem wurde der U-Bahn-Eingang in den Bereich des Centers integriert. Die Werbegemeinschaft organisiert Kultur- und Informationsveranstaltungen und kümmert sich um die Weihnachtsbeleuchtung der Bäume auf dem Platz. Eine nochmalige Erweiterung des Einkaufszentrums ist im Gespräch, doch gibt es noch keine konkreten Beschlüsse.

Center-Manager Volker Meißner sieht die günstige Verkehrsanbindung des Platzes als Plus, bemängelt aber etwa, dass dem U-Bahnhof noch immer ein Behindertenaufzug fehlt. Den Fluglärm nimmt er, wie die meisten Anlieger, kaum noch zur Kenntnis. Wer bei jeder landenden Maschine neugierig nach oben schaut, outet sich seiner Meinung nach als Ortsfremder oder Planespotter. Dennoch verspricht sich Meißner vom Wegfall des Fluglärms eine Aufwertung des Umfeldes auch durch die auf dem angrenzenden Flughafengelände geplante Wohnbebauung. Was den Center-Manager stört, sind die mangelnde Pflege und Reinigung des Platzes und seiner Brunnen, die provisorischen Bauten und das seit dem Abzug der Alliierten leer stehende Gebäude des französischen Supermarktes. Und die Kioske? Die hält Meißner „aus städtebaulicher Sicht für fragwürdig“.

Nächste Folge: Donnerstag, 31. Mai. Dann geht es um den Hermannplatz.

Jetzt haben Sie als Leser die Möglichkeit, sich einzumischen, mit den Planern, mit Bezirksstadträten und anderen Anwohnern über die Gestaltung Ihres Platzes zu diskutieren. Denn zu jeder Folge gibt es einen Ortstermin direkt am Platz.

So könnte es aussehen, das neue Gesicht des Kurt-Schumacher-Platzes, wenn die Entwürfe der Landschaftsplaner des Büros „Topos“ verwirklicht würden. Jetzt können Sie uns Ihre Meinung zu den Anregungen sagen.

Wir laden Sie ein, am Mittwoch, 30 Mai, über das vorgelegte Konzept zu diskutieren. Mit dabei sein werden neben den Landschaftsarchitekten auch Martin Lambert, Reinickendorfs Stadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt, Ordnung und Gewerbe sowie für die „Initiative Reinickendorf“ die ehemalige Bürgermeisterin Marlies Wanjura und Jörg Leutloff vom Tourismusverein Reinickendorf.

Ort: Tanzschule Gerda Keller in der Scharnweberstraße 25 (2. OG). Ein Aufzug ist nicht vorhanden.

Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr mit einem kurzen Beamer-Vortrag der Planer, anschließend Diskussion über die Ideen. Ende: 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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