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Hoher Besuch. Ministerpräsident Matthias Platzeck ist wieder ein Minister abhandengekommen. Die kleinen Sternsinger, die gestern die Staatskanzlei besuchten, werden die Nachwuchsprobleme der Brandenburger SPD aber kaum lösen können. Foto: dpa

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Berlin: Platzeck auf Nachwuchssuche

Brandenburgs Regierung kann die Rücktritte nicht leicht verkraften. Denn die Personaldecke der SPD ist dünn. Jetzt versucht man, etwas dagegen zu tun

Potsdam - Nach dem Rupprecht-Rücktritt ist die nahtlose „kleine“ Kabinettsreform von Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) in der rot-roten Koalition mit Erleichterung aufgenommen worden. SPD und Linke hoffen, dass die Regierung nach der Affärenserie jetzt „endlich in ruhiges Fahrwasser kommt“. Auf einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung der SPD-Landtagsfraktion erhielt Platzeck am Freitag für seine Entscheidung, das Wissenschaftsministerium mit der Potsdamer Unipräsidentin Sabine Kunst und das Bildungsministerium der bisherigen Hochschulministerin und Vizeparteichefin Martina Münch zu übertragen, ungeteilte Zustimmung. Bei der der Regierungsbildung 2009 hatte Platzeck mit seinen einsamen SPD-Personalien die Genossen verstört.

„Es ist ein gutes Signal“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. „Selbst bei denen, wo man es nicht unbedingt erwarten würde, war die Resonanz positiv.“  Wie es aus der Fraktion einhellig hieß, hat Kunst, die sich am Morgen in der Sitzung vorstellte, eine gute Figur gemacht. Auf der anderen Seite setzt die SPD darauf, dass Münch durchaus frischen Wind in das Bildungsministerium bringen kann, das der Mutter von sieben Kindern sogar mehr liegen könnte als der bisherige Job. Zwar muss Münch im Bildungsetat 2012 rund 28 Millionen Euro einsparen. Doch hat Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach Tagesspiegel-Informationen zugesichert, dass die Klassenstärken nicht verschlechtert, die im Koalitionsvertrag festgelegte Beibehaltung der Schüler-Lehrer-Relation im Verhältnis eins zu 15,4 nicht angetastet werden soll.

Die Not für den Regierungschef war diesmal besonders groß, eine solide Lösung zu finden, nachdem von seinen im Herbst 2009 ernannten fünf SPD-Ressortchefs nur noch Münch und Sozialminister Günter Baaske übrig geblieben waren. Jörg Vogelsänger hatte später das Infrastrukturministerium übernommen, als die „Superministerin“ Jutta Lieske aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Auf Ex-Innenminister Rainer Speer folgte jüngst Ex-Agrarminister Dietmar Woidke, der vor dem Wechsel Fraktionschef im Landtag war und seinen neuen Job, wie über die rot-roten Reihen hinaus anerkannt wird, „bemerkenswert gut macht“. Und nun fiel auch noch Schulminister Holger Rupprecht aus.

Das wiederholte Stühlerücken wirft ein Licht darauf, wie dünn die Personaldecke der brandenburgischen SPD mit ihren 6800 Mitgliedern wirklich ist. Sie leidet an Auszehrungstendenzen, an einerseits lange versäumter Nachwuchsförderung, andererseits am zu frühen Verbrennen junger Talente. Nach dem inneren SPD-Führungsgefüge wäre dieses Mal Vizeparteichefin und Bildungsexpertin Klara Geywitz quasi „natürlich“ Bildungsministerin geworden, wenn sie derzeit nicht mit Zwillingen hochschwanger wäre. Schon im Herbst hatte die 34-Jährige, die eher auf eine langfristige, beständige Karriere setzt, einen Ministerjob ausgeschlagen, wurde parlamentarische Geschäftsführerin.

Platzeck steht in der SPD schon länger unter Druck, die „Männerwirtschaft“ bei der Postenverteilung zu beenden, andererseits gibt es wenig profilierte Frauen. Aus der Fraktion wäre vielleicht noch Vizefraktionschefin Susanne Melior infrage gekommen, die aber bereits die Enquetekommission zur SED-Diktatur leitet, „und auch das wäre mit Risiken verbunden gewesen“, heißt es. „Und ein Risiko konnte Platzeck nicht eingehen. Nach der Vorgeschichte bleibt den Neuen keine Schonzeit.“ Schon deshalb kam auch das „Modell Rupprecht“, also eine verwaltungsunerfahrene Seiteneinsteigerin, nicht infrage.

Es fällt auf, dass die SPD nach dem Ende des Machtduos Platzeck/Speer in Bewegung gerät. Jüngere Politiker außerhalb der Machtzirkel bekommen plötzlich Profilierungschancen: Sören Kosanke, 32, Kreischef in Potsdam-Mittelmark, leitet den Untersuchungsausschuss zur Immobilienaffäre. Potsdams SPD-Chef Mike Schubert, 37, soll federführend das Leitbild „Brandenburg 2030“ entwickeln. Schubert und Kosanke waren es, die nach der von Platzeck für tot erklärten Länderfusion die Debatte neu entfacht hatten. Und damit in ein paar Jahren die Ministerauswahl für Platzeck – oder seinen Nachfolger – leichter fällt, gibt es neuerdings ein Traineeprogramm für Genossen-Nachwuchs.

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