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Berlin: Plenum der guten Tropfen

Erfolgreiche Weinmesse im Rathaus Schöneberg

Eingeborene West-Berliner sind immer noch ein wenig verdutzt, wenn das Rathaus Schöneberg, die Zitadelle des Kalten Krieges, profanen Zwecken nutzbar gemacht wird. Doch drinnen ist viel Platz, der nicht mehr zum Politikmachen gebraucht wird, und so lag die Idee nahe, die ebenso erfolgreiche wie chronisch beengte Berliner Weinmesse aus dem Logenhaus zu verlegen: Mosel-Saar-Ruwer im Plenarsaal, Spanien im prächtigen Sitzungsraum mit den einst viel diskutierten Koeppel-Wandbildern, in der Brandenburghalle Rieslinge – und Essig. Der Bezirksbürgermeister dürfte keinen Grund zur Klage gehabt haben über diese sehr zivilisierte Leistungsschau des internationalen Weinbaus. Die Macher der Messe hatten recht mit dem Umzug – und es wurde sogar da und dort schon wieder eng, vor allem auf der Galerie im ersten Stock, wo viele Frankreich-Importeure Platz gefunden hatten.

Eine Weinmesse ist vor allen ein Logistik-Problem. Denn die Händler und Winzer bringen zwar den Wein mit, aber sie müssen kontinuierlich mit Eis zur Kühlung der Weißen versorgt werden, es wird viel Mineralwasser gebraucht und Baguette, und vor allem muss ständig jemand die gefüllten Behälter leeren, in die die Weinreste gegossen und gespuckt werden – würde alles getrunken, was ausgeschenkt wird, bliebe nur der Ruf nach dem Notarzt. Die Organisatorin Christina Baum gab sich auf halber Strecke schon sehr zufrieden. Ja, sagte sie, es habe am Freitag die für einen neuen Ort üblichen Anlaufschwierigkeiten gegeben, doch inzwischen laufe alles gut, „wir werden wohl noch mehr Besucher haben als im letzten Jahr“. 2002 – da waren es rund 8000 Weinbegeisterte.

So konnte sich keiner der Aussteller über mangelndes Interesse beklagen. Der Riesling-Spezialist Helmut Clüsserath, gerade von einem namhaften Weinführer zum Winzer des Jahres ernannt, war zum ersten Mal dabei, und die Nachfrage nach Kostproben war symptomatisch für das weiter steigende Interesse an deutschen Weinen. Stellvertretend für viele Aussteller sage Clüsserath, er sei mit der Messe sehr zufrieden, es müsse sich allerdings erst zeigen, ob sein Auftritt auch wirtschaftlichen Erfolg bringe: Unmittelbar bestellt oder gekauft wird auf dieser Veranstaltung generell wenig. Spanien zog vor allem die vielen jungen Besucher an, Südfrankreich bestätigte seinen Ruf als Trend- Region, die Österreicher pflegten ihre traditionellen Kontakte und selbst vermeintliche Außenseiter wie der Wiener Essig-Hersteller Erwin Gegenbauer sahen ihre Stände zeitweilig von Dreierreihen umringt.

Die Prognose ist einfach: Auch 2004 wird es am zweiten Januar-Wochenende im Rathaus Schöneberg eine Weinmesse geben und erneut unter Beweis stellen, dass Berlin binnen eines Jahrzehnts eine wichtige Weinstadt geworden ist.

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