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Pokerraub: Die Beute bleibt wohl für immer verschwunden

Am 19. August beginnt der zweite Prozess wegen des Überfalls auf das Pokerturnier im Hyatt-Hotel am Potsdamer Platz – von den geraubten 242.000 Euro fehlt jede Spur.

Die Beute taucht nie wieder auf. Anwälte, Ermittler, Richter – wen immer man in der Berliner Justiz fragt, niemand glaubt, dass das Geld vom spektakulären Überfall auf das Pokerturnier im Hyatt-Hotel am Potsdamer Platz wieder auftaucht. Es bleibe verschollen in einer Welt, über die der Staat wenig wisse.

Vier Monate nach dem Raub am 6. März sind die vier Hitzköpfe verurteilt worden, die brüllend und bewaffnet das Turnier gestürmt hatten und schließlich 242 000 Euro erbeuteten. Einer bekam fast vier, die anderen dreieinhalb Jahre Gefängnis – sie waren geständig. Wer welche Summe bekommen hatte, ist unklar. Fest steht: Nur 4000 Euro sind aufgetaucht. Maximal genauso viel dürfte bei der Flucht ausgegeben worden sein, zwei hatten sich kurz ins Ausland abgesetzt.

Im Prozess, den die vier erstaunlich gelassen hinnahmen, sagten sie nichts über die Beute. „Ich habe keine Tüte mit Geld auf dem Tisch erwartet“, gab sich Richter Helmut Schweckendieck verärgert. Aber Auskunft über die Beute hätte die Geständnisse wertvoller gemacht.

Ein Anwalt widerspricht. Für „ein paar Monate Strafrabatt“ lohne sich der Ärger nicht – der Ärger mit den eigenen Leuten. Und so blieb es auch bei Vedat S. bei einer vagen Ankündigung. Weil er seine Freunde verraten hatte, ist der als Erster festgenommene S. mit der Kronzeugenregelung belohnt worden – und durfte sogar aus der Untersuchungshaft. Damals kündigte er an, seinen Beuteanteil von 40 000 Euro zurückzugeben.

Im Prozess wurde erklärt, die vier Jungs aus Kreuzberg und Neukölln hätten „keine Gewalt“ über das Geld. Das mag daran liegen, dass beim Prozess alle Zuschauerplätze voll waren – unter den Beobachtern erkannten Ermittler führende Männer einer Großfamilie, die als einflussreich gilt. Fällt unter Ermittlern der Name Abou-C., ist schnell von Gewalt die Rede. Junge Männer aus dem Umfeld des Clans sollen als Türsteher in Diskos arbeiten, auch weil sie so kontrollieren können, welche Geschäfte in dem Laden stattfinden. Ältere Herren sollen Ermittlern zufolge für „größere Dinger“ die Stichwortgeber sein.

Ab 19. August beginnt der Prozess gegen Ibrahim El-M., 29 Jahre alt, mutmaßlicher Fluchtwagenfahrer, und Mohammed Abou-C., 31, möglicher Drahtzieher des Coups. In einschlägigen Kreisen werden sie Ibo und Momo genannt. In Tatortnähe hatten sie kurz vor der Tat telefoniert, wirft ihnen die Anklage vor. Momo soll vom Turnier via Handy das Startkommando an die Clique gegeben haben, die daraufhin losgestürmt sei. Aus Justizkreisen heißt es zwar, der 29-jährige Ibo bestreite jede Tatbeteiligung. Beim Landeskriminalamt sagt man jedoch, er habe den Jüngeren eingeschärft, seinen Namen zu verschweigen, „da man sich irgendwann wiedersehen“ werde. Einer der vier inhaftierten Jungs hatte Ibos Namen genannt. Sein Anwalt berichtet, sein Mandant sei als Verräter bedroht worden. „Schauen im Gerichtssaal dann noch ältere Angehörige zu, überlegt man zweimal, ob man sich zur Sache äußert“, sagte ein Justizmitarbeiter.

„Wenn die schweigen, taucht das Geld nie wieder auf“, befürchtet ein Beamter. Man habe Telefongespräche mitgehört, alte Bekannte observiert, bei verschiedenen Ansprechpartnern „auf den Busch geklopft“ – und die Beute dennoch nicht gefunden. Momo hatte man erst drei Monate nach der Tat festgenommen, er ist zuvor lange von Fahndern beobachtet worden – vom Geld keine Spur. Problematisch sei auch, dass die Seriennummern der geraubten Scheine nicht bekannt sind.

„Vielleicht haben sie es verprasst“, sagt ein Beamter, der das Milieu kennt. Von der Staatsanwaltschaft wird ein Szenario als glaubhaft bezeichnet: 160 000 Euro wurde – wahrscheinlich ungleich – unter den vier ausführenden Jungräubern geteilt. Wie viel Ibrahim El-M. behalten haben soll, ist unklar, der Anklage zufolge gingen aber 30 000 Euro an Tippgeber Mohammed Abou-C. „Ein paar Wochen spendabel sein, ein bisschen Bekannten geben und nun die Anwälte bezahlen“, sagt ein Kenner, „und schon ist das Geld weg.“Hannes Heine

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