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Berlin: Politik in Öl

Die Kunst im Bau: Alles sorgsam ausgewählt

Konrad Adenauer hat das Porträt nie gemocht. Er fand sich nicht gut getroffen und beschuldigte den Maler, Oskar Kokoschka, dieser habe wohl Probleme mit den Augen. Egal, Angela Merkel gefällt das Bild. Deshalb hängt es an der Wand direkt hinter ihrem Schreibtisch – und da lässt sie es.

Kunst ist politisch – besonders, wenn sie das Kanzleramt schmücken soll. Etwa 100 Gemälde, Skulpturen und Fotografien finden sich im Haus, darunter Arbeiten von August Macke, Neo Rauch und Jeff Wall, ebenso ein Picasso. Viele sind Leihgaben der Staatlichen Museen, andere von Mäzenen gestiftet. Der hohe Anteil an „Jungen Wilden“ liegt an Merkels Amtsvorgänger: Gerhard Schröder hat ein Faible für deren farbstarke Bilder. Nach ihrem Einzug sortierte die Kanzlerin aus, schickte Werke zurück an deren Besitzer, allen voran eine Miniatur von Rainer Fettings bronzener Willy-BrandtSkulptur.

Geblieben sind die Werke von Schröders Künstlerfreund Markus Lüpertz. Dessen „Philosophin“, die stehende nackte Frau mit Hand am Kinn, die genderbewusste Variante von Rodins Denker, wacht unten im Foyer. Außerdem durfte Lüpertz die Wände gestalten – und entschied sich, jede in eine andere Farbe zu tauchen: Blau für die Weisheit, Rot für Tapferkeit, Ocker für Gerechtigkeit, Grün und Weiß für Klugheit und Umbra für Kraft und Stärke.

Platz für wechselnde Ausstellungen ist in den oberen drei Stockwerken in der Skylobby, rund um das Treppenhaus mit Amphitheater-Charakter. Die Gemälde dort sind oft großformatig, bei Anlieferung passen sie in keinen Aufzug. Dann werden sie mit dem Kran auf die Terrasse im fünften Stock gehievt und weiter durchs Treppenhaus getragen. Zuletzt wurden im November vier neue Gemälde aufgehängt – und mit einem Walter Stöhrer zeigte Merkel, dass auch sie etwas von expressiver Kunst versteht.

Das alles können die Berliner nur einmal im Jahr besichtigen, beim Tag der offenen Ministerien. Ein anderes Kunstwerk ist dagegen für alle Zaungäste weit sichtbar: die rostrote Plastik „Berlin“ des spanischen Künstlers Eduardo Chillida im Ehrenhof, fünfeinhalb Meter hoch, fast 90 Tonnen schwer. Weil sie aus zwei Eisenpfeilern besteht, die nacheinander zu greifen scheinen, sehen viele darin ein Symbol für die deutsche Teilung und den Wunsch nach Vereinigung. Ganz so einfach ist es nicht, findet Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen und Mitglied der Kunstkommission, die den jeweiligen Kanzler bei der Auswahl berät. Mit Chillidas Plastik könne man auch „die Kunst des Regierens als fortwährende Balance“ assoziieren.

Manchmal kollidieren die Interessen von Kunst und Politik. Zum Beispiel im Kabinettssaal. Da hängt Ernst Ludwig Kirchners Ölgemälde „Sonntag der Bergbauern“, 85 Jahre alt und bereits zu Helmut Schmidts Zeiten im Bonner Kabinettssaal. Dem Werk tut der prominente Platz nicht gut: Vor Sitzungen lassen sich Kanzlerin und Minister hundertfach dabei fotografieren, wie sie Platz nehmen und smalltalken. In Museen ist Blitzen aus gutem Grund verboten: Das grelle Licht schädigt die Farbpartikel eines Gemäldes. Von dem Kirchner, schätzen Experten, dürfte kein einziger Partikel mehr im Originalzustand erhalten sein.

Konrad Adenauer ist im Kanzleramt gleich drei Mal vertreten. Außer dem Kokoschka-Gemälde hinter Merkels Schreibtisch findet man sein Porträt auch im sechsten Stock, in einem Besprechungsraum, gemalt von Graham Sutherland. Und natürlich als erstes von mittlerweile sieben Bildern in der Kanzlergalerie. Willy Brandt brauchte übrigens zwei Anläufe: Sein erstes Porträt verspotteten Kritiker als „Ölbild nach Säureanschlag“, andere glaubten, darin einen „Apokalyptischen Reiter“ zu erkennen. Daraufhin ließ sich Brandt noch einmal malen. Ganz links das bisher letzte in der Reihe: das Schröder-Porträt von Jörg Immendorff. Es fällt nicht nur wegen seiner goldenen Farbe aus dem Rahmen, auf Schröders Schulter tummeln sich mehrere Affen. Das sei nicht despektierlich gemeint, versicherte Immendorff nach der Fertigstellung. Die Affen stünden für die Künstler, um die der Kanzler während seiner Amtszeit bemüht gewesen sei. Schröder hat die Erklärung gefallen. Sebastian Leber

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