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Bis hierhin und nicht weiter - jedenfalls vorläufig nicht, denn überraschend muss das Bodenpersonal des Flughafens Tegel dort nun doch noch einige Monate länger Maschinen abfertigen. Und auch die Anwohner von Spandau bis Pankow haben den Krach in der Luft noch einen Sommer mehr zu ertragen.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Politik ist fassungslos: „Ein Desaster für die Stadt“

Die Politik ist fassungslos über die Verschiebung der BER-Eröffnung. Der Regierende Klaus Wowereit will sich im Parlament erklären. Und wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Der grüne EU-Abgeordnete Cramer lästert, Berlin könne weder S-Bahn noch Flughafen.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Wer trägt die Verantwortung für das Desaster? Welche Gründe haben dazu geführt, dass die Eröffnung des Hauptstadtflughafens verschoben wird? Diese Fragen wird der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus beantworten müssen. Er kündigte eine Regierungserklärung an, die anschließend heiß diskutiert werden dürfte. Erst am frühen Montagabend wurde Wowereit vom Chef der Flughafengesellschaft, Rainer Schwarz, telefonisch informiert. Die Fraktionsspitzen der rot-schwarzen Regierungskoalition und ihre Verkehrsexperten blieben noch bis Dienstagvormittag ahnungslos.

Auch dann brauchten die Fraktionschefs Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU) noch einige Stunden, um ihre Überraschung und Bestürzung in gesetzte Worte zu kleiden. Die Entscheidung, die Eröffnung des Airports zu verschieben, sei nachvollziehbar, erklärte Saleh. Sicherheit gehe vor Schnelligkeit. Die Besserwisserei der Opposition helfe in dieser schwierigen Situation nicht weiter. „Sicherheit hat selbstverständlich Vorrang vor jedem anderen Interesse“, sagte auch der CDU-Fraktionschef Graf. Er erwartet eine rasche Aufklärung der Gründe und Verantwortlichkeiten der Verzögerung und die daraus resultierenden finanziellen Konsequenzen.

Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel wurde deutlicher und nannte die Verschiebung „peinlich“. Jeder mittelständische Unternehmer wäre bei so einer Planung am Rande der Pleite oder würde in Schadensersatzansprüchen ersticken. „Mit einem Augenzwinkern“, so Steffel, freue er sich aber als Reinickendorfer über jeden Tag, den der Flughafen Tegel länger geöffnet habe.

Bildergalerie: So entsteht der neue Flughafen

Währenddessen lag der verkehrspolitische Sprecher der Union, Oliver Friederici, mit einer fiebrigen Erkältung im Bett und sagte heiser: „Das ist ein Hammer!“ Probleme mit dem Brandschutz seien ja seit Wochen bekannt. „Aber das es ein so Problem ist, ahnten wir nicht.“ Auch der SPD-Verkehrsfachmann Ole Kreins musste sich erst einmal sammeln und räumte freimütig ein, ziemlich ratlos zu sein. „Glücklicherweise haben wir noch den Flughafen Tegel und sind damit vorerst auf der sicheren Seite.“

Wowereit patzt gerade bei seinen Leuchtturmprojekten

Ein glatter Zufall, aber es passt wie die Faust aufs Auge: Vor zwei Wochen hatten SPD und CDU einen Antrag im Abgeordnetenhaus eingebracht, der sich mit den Kosten öffentlicher Bauvorhaben kritisch auseinandersetzt und eine „exaktere und realitätsnähere Planung“ fordert. Dazu gehöre auch, die Kosten für baupolizeiliche und brandschutzrechtliche Anforderungen rechtzeitig zu benennen. „Wir haben uns immer wieder maßlos geärgert über große Bauprojekte, die am Ende teurer werden oder sich verzögern, weil etwas mit dem Brandschutz nicht stimmt“, sagte der CDU-Haushälter Christian Goiny. Der Parlamentsantrag sei gewiss nicht wegen des Flughafens gestellt worden, „aber er kriegt damit natürlich eine neue Brisanz“.

Auch die Opposition war völlig überrascht. „Das ist ein Desaster für Berlin und Deutschland“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der EU-Fraktion der Grünen, Michael Cramer. Die Flughafengesellschaft hätte den Aufsichtsrat viel früher informieren müssen, dass Genehmigungsanträge offenbar nicht vorgelegen hätten. Er frage sich, ob das im Aufsichtsrat eventuell schon thematisiert worden sei. „Aller schlechten Dinge sind drei", sagte Cramer, „die in Berlin können nicht nur S-Bahn nicht, sondern auch nicht Flughafen nach mehreren Verschiebungen des Eröffnungstermins“.

Bildergalerie: So soll der neue Flughafen aussehen

Die Berliner Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop wies sogleich dem Regierenden Bürgermeister Wowereit die Verantwortung zu. Er habe die Fertigsstellung des Flughafens zu seinem wichtigsten Projekt gemacht. Die erneute Verschiebung sei der vorläufige Höhepunkt eines „von Fehlplanungen, Intransparenz und Pannen begleiteten Flughafenbaus“. Diese „neue Posse“ passe zu den jahrelangen Täuschungen der Anwohner durch den Senat über die Flugrouten. Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) nannte die Verschiebung des neuen Flughafens ein „Debakel“. „Alle Beteiligten müssen jetzt daran arbeiten, dass der Flughafen zügig funktioniert.“ Später habe man Konsequenzen zu ziehen und die Verantwortlichkeiten zu klären.

Der Senat habe „politische Verantwortung“ zu übernehmen und ein realistisches Konzept für die Fertigstellung des Flughafens zu präsentieren, forderte Oliver Höfinghoff von der Piratenfraktion. Dass ein solches Prestigeprojekt nicht wie geplant fertig werde, sei eine „Riesenpleite“ für den Senat. Neben dem katastrophalen Imageschaden für Berlin würden voraussichtlich auch wirtschaftliche Verluste entstehen. Jedes von Wowereit favorisierte Leuchtturmprojekt wie ICC, Landeszentralbibliothek oder Großflughafen zeichne sich durch eine „sagenhaft stümperhafte Planung“ aus.

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