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Hier laufen die Fäden zusammen. Die Senatspolitik wird von den großen Landesunternehmen mit beeinflusst.

© Getty Images/iStockphoto

Politik und Wirtschaft in Berlin: Wenn Senatoren auch Unternehmer sind

Was VW für Niedersachsen, sind die Landesbetriebe für Berlin: Vom Konflikt zwischen öffentlichem Wohl und Wirtschaftsinteressen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin ist nicht Wolfsburg. Aber wer glaubt, dass die großen Unternehmen, die dem Land Berlin gehören, keinen Einfluss auf die Senatspolitik nehmen, ist wohl ein bisschen naiv. Allein die Wohnungsbaugesellschaften und die Messe GmbH, die Flughafengesellschaft und die Verkehrsbetriebe, die Stadtreinigung und die Wasserbetriebe, die Investitionsbank Berlin und die Vivantes-Krankenhäuser repräsentieren ein Eigenkapital von 7,6 Milliarden Euro und beschäftigen über 36 000 Menschen. Das gibt Macht – auch wenn Berlin nicht an einem Weltkonzern wie VW beteiligt ist.

Zumal die Berliner Landesunternehmen zentrale Bereiche der öffentlichen Infrastruktur absichern. Sie müssen ihre Geschäftspolitik zwar politisch definierten Zielen unterordnen, sind aber wirtschaftlich und rechtlich sehr eigenständig. Die Vorstände sind nicht politisch besetzt und die Unternehmen stehen großenteils in Konkurrenz zu privaten Wettbewerbern. Die öffentlichen Beteiligungen sollen, soweit das möglich ist, Geld verdienen. Es gibt also unternehmerische Eigeninteressen, die gegenüber dem staatlichen Eigentümer geltend gemacht werden. Das spielt sich in der Regel außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung ab. Aber es gibt auch sichtbare Konflikte.

Komplexe Rechtsfragen werden „selbstverständlich vorher mit dem Unternehmen geklärt“

Ein besonders krasses Beispiel war die Bankgesellschaft Berlin, in der der damalige CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky seine Doppelrolle als Politiker und Bankdirektor voll ausgereizt hatte. Abenteuerliche Kreditgeschäfte waren nur möglich, weil die Senatspolitik sich das Geschäftsgebaren des landeseigenen Konzern über viele Jahre zu eigen machte. Bis 2001, als Bank und CDU/SPD-Koalition zusammenbrachen.

Die hoch umstrittene frühere Preispolitik der Berliner Wasserbetriebe ist ein ganz anders gelagerter Fall. Aber auch dieser Konflikt zeigte, dass wirtschaftliche Interessen, landespolitische Ziele und das Wohl der Bürger auch dann auseinanderdriften können, wenn die öffentliche Hand am Unternehmen beteiligt ist. Das bekam 2011 der damalige Wirtschaftssenator Harald Wolf zu spüren. Als sozial orientierter Linken-Politiker war er eigentlich für niedrigere Wassertarife zuständig. Als Chef des Aufsichtsrats war er aber auch dem Wohl des Konzerns verpflichtet, der zur Hälfte privaten Investoren gehörte, die auf hohe Gewinne aus dem Wassergeschäft sogar einen rechtlichen Anspruch hatten.

Im vergangenen Jahr, kurz vor der Abgeordnetenhauswahl, geriet der sozialdemokratische Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel in die Kritik, als die von ihm beaufsichtigten städtischen Wohnungsbaugesellschaften bei der Wahl zu neuen Mieterräten unliebsame Kandidaten offenbar ausschließen wollten. Der Ärger wurde noch größer, als die Spitze der Bauverwaltung intern signalisierte, dass eine kritische Berichterstattung vor dem Wahltermin möglichst verhindert werden sollte. Das wurde zwar heftig dementiert, aber der Fall trug dazu bei, das traditionelle Image der Berliner SPD als „Kumpane“ der öffentlichen Wohnungswirtschaft zu bestätigen.

Erst seit wenigen Jahren gibt es in Berlin ernsthafte Bemühungen, die engen personellen Verflechtungen zwischen Politik und Landesunternehmen aufzulösen. Vor allem die Sozialdemokraten waren dem berechtigten Vorwurf der Filz- und Vetternwirtschaft ausgesetzt, aber auch die Christdemokraten mischten kräftig mit, wenn es darum ging, Politik und Staatswirtschaft zu einem Einheitsbrei zu verrühren. Große Verdienste beim Aufbrechen der alten Verhältnisse hat sich im vergangenen Jahrzehnt der Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) erworben. Seit 2004 wurden in Berlin schrittweise neue Standards für das Management und Controlling der mehr als 50 Landesbeteiligungen eingeführt.

Inzwischen gibt es ein Regelwerk, dessen Grundlage der „Berliner Corporate Governance Kodex“ ist. Ergänzt durch „Beteiligungshinweise“ und ein Merkblatt für Aufsichtsräte. Diese Regeln orientieren sich weitgehend an den strengen Vorschriften des deutschen Aktiengesetzes. Allerdings können auch sie den grundlegenden Interessenskonflikt zwischen öffentlicher Daseinsvorsorge und einer wirtschaftlich orientierten Unternehmensführung nicht auflösen. Denn auch der Aufsichtsrat einer Landesbeteiligung ist, so steht es im Kodex, gemeinsam mit der Geschäftsleitung „dem Unternehmensinteresse verpflichtet“. Wer sich daran nicht hält, kann sich sogar strafbar machen. Andererseits müssen die öffentlichen Gesellschafter in den Organen des Staatsunternehmens „bei ihrer Tätigkeit auch die besonderen Interessen Berlins berücksichtigen“.

In den großen Landesunternehmen sitzen nur noch wenige Senatsmitglieder, die diesem Grundkonflikt ausgesetzt sind. Allen voran die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die die Aufsichtsräte von Stadtreinigung, Verkehrs- und Wasserbetrieben sowie den Verwaltungsrat der Investitionsbank leitet. Auch die Messe GmbH kontrolliert sie mit. Grund zur Besorgnis, dass sich Pop von diesen Unternehmen an der Nase herumführen lässt, gibt es bisher nicht.

Und wie ist das mit den Reden, die Senatspolitiker im Parlament halten? Komplexe Rechtsfragen, so heißt es senatsintern, würden „selbstverständlich vorher mit dem Unternehmen geklärt“. Im Regelfall rufe man aber nur Fakten ab. Damit alles sachlich und fachlich richtig sei, was die Senatoren sagen.

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