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Berlin und Brandenburg: Fusion halb und halb.

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Politischer Streit zwischen Berlin und Brandenburg: Kooperation statt Fusion

Der Langzeitkonflikt: Warum Berlin und Brandenburg nie zusammenkamen, aber trotzdem aufeinander angewiesen sind. Eine Analyse.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Beziehung zwischen Berlin und Brandenburg war lange nicht so gestört wie jetzt. Die Regierungen streiten offen über den Pannen-Flughafen BER, zu sehen beim Schwenk von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) beim Nachtflugverbot oder beim Veto von Berlins Regierenden Klaus Wowereit (SPD) gegen den Vertrag des neuen BER-Beraters Wilhelm Bender. Wir erklären auf dieser Seite, warum die Fusion beider Länder einst scheiterte, welche Kooperationen trotzdem funktionieren – und wo beide Länder aneinander vorbei leben.

Die gescheiterte Fusion

Die Idee, aus Berlin und Brandenburg ein gemeinsames Land zu machen, wurde gleich nach der Wende geboren. Schon 1991 gründeten der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) eine Regierungskommission, um die Fusion vorzubereiten. Es wurde gefeilscht und gestritten, doch am 2. April 1994, früh um 3.36 Uhr, stießen die Unterhändler auf der Insel Schwanenwerder mit einem Glas Sekt auf den „Staatsvertrag zur Bildung eines Bundeslandes“ an. „Ein Meisterwerk der Kompromisskunst“, lobte Stolpe. Aber er freute sich zu früh.

Allee für eines. Auf Werbeplakaten wurde 1996 für die Fusion von Berlin und Brandenburg geworben – allerdings auch mit malerischen Fotos aus Frankreich.
Allee für eines. Auf Werbeplakaten wurde 1996 für die Fusion von Berlin und Brandenburg geworben – allerdings auch mit malerischen Fotos aus Frankreich.

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Die Wähler in Brandenburg lehnten die Fusion in einer Volksabstimmung am 5. Mai 1996 ab. Rund um Berlin fürchteten sich viele Bürger vor einer hoch verschuldeten, gleichwohl übermächtigen Hauptstadt, und vor einer Vernachlässigung der armen, von Landflucht betroffenen Randregionen Brandenburgs. „Wir werden arm sein, aber glücklich“, stand damals auf Werbeplakaten für die Fusion.

Das war der falsche Ton. Andere Plakate warben mit Brandenburger Alleen – die zeigten in Wahrheit aber Aufnahmen aus Frankreich. Es war nicht die einzige Panne der Fusionskampagne. Zwar gab es in Berlin eine Mehrheit für das gemeinsame Land, aber das reichte nicht. Erst nach einer längeren Phase gegenseitiger Schuldzuweisung und Ratlosigkeit wagten beide Länder einen neuen Versuch.

Neue Anläufe zur Zusammenarbeit

Nicht nur die Politik, auch Wirtschaftsverbände, Unternehmer und Gewerkschaften gaben der Fusionsdebatte immer wieder neuen Schwung. Manche plädierten sogar für einen „Nordost-Staat“, unter Einbeziehung Mecklenburg-Vorpommerns. Ein neuer Zeitplan für die Länderehe wurde aufgestellt, sie sollte bis 2009 vollzogen werden. SPD und CDU, Grüne, Linke und Liberale waren grundsätzlich einverstanden. Doch wo ein Wille ist, ist nicht immer ein Weg. Eine für 2006 verabredete neue Volksabstimmung fand nicht statt. „Das Thema ist vom Tisch“, stellte Brandenburgs Regierungschef Platzeck im Herbst 2006 fest, nachdem das Bundesverfassungsgericht dem Land Berlin die erhofften Finanzhilfen des Bundes und der Länder verweigerte. Vorher schon war es dem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gelungen, auch die gutmütigsten Brandenburger aufzubringen. „Das vereinte Land wird immer eine Stadt Berlin mit angeschlossener landwirtschaftlicher Fläche sein“, sagte er – und meinte das ernst.

Seit jener Zeit war die Fusion nur noch ein Thema für wissenschaftliche Tagungen und politische Sonntagsreden. Zuletzt plädierte Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) für eine Eingliederung der Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen in ihr jeweiliges Umland. Der Ruf verhallte ungehört. Ob das Thema in den Verhandlungen über einen neuen Länderfinanzausgleich ab 2020 – die frühestens im nächsten Jahr beginnen – noch einmal aufgerufen wird, gilt derzeit als unwahrscheinlich.

Kooperation auch ohne Fusion
Auch im Scheitern gibt es Erfolgsgeschichten. Seit zwei Jahrzehnten arbeiten Berlin und Brandenburg auf vielen Feldern eng zusammen. Manches klappt nicht (siehe Text unten), manches auch ohne Fusion gut. Den rechtlichen Rahmen der Partnerschaft bilden 27 Staatsverträge, von der Zusammenarbeit des Rundfunks bis zur Kooperation bei der Notfallrettung. Schon seit 1996 gibt es eine gemeinsame Landesplanung, und im Kommunalen Nachbarschaftsforum arbeiten die Außenbezirke Berlins mit den brandenburgischen Kommunen zusammen. Ende 2012 konstituierte sich der neue Regionalplanungsrat, der beispielsweise eine länderübergreifende Energie- und Klimaschutzpolitik formulieren soll.

Das mit Abstand größte Projekt der Region, der BER, treibt beide Länder momentan auseinander. Doch Berlin und Brandenburg sind als größte Metropolenregion Deutschlands hier zum gemeinsamen Erfolg verdammt. Die ökonomische Grundlage ist noch im Aufbau begriffen: Gesundheitswirtschaft und Energietechnik, Verkehr und Logistik, Kommunikationstechnologien und Optik, Medien- und Kreativwirtschaft – auf diese Zukunftsbranchen konzentrieren sich beide Landesregierungen. Gleiches gilt für den Massen- und Kongresstourismus.

Auf vielen Feldern ist eine Abstimmung trotz verschiedener Interessen unabdingbar, etwa bei Raumordnung und Verkehr oder der grenzüberschreitenden Verbrechensbekämpfung – nicht zu vergessen die Kultur einschließlich des preußischen Erbes. Nicht alles ist Sache der Politik. Viele Verbände, Unternehmen und Stiftungen engagieren sich für beide Länder: von der Akademie der Wissenschaften über die Rundfunkanstalt Berlin-Brandenburg bis zum Verkehrsverbund. Vielleicht sollten Wowereit und Platzeck mal wieder ihr Grußwort auf der gemeinsamen Internetplattform www.berlin-brandenburg.de lesen. „Gemeinsam sind wir stärker“, heißt der letzte Satz.

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