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Berlin: Polizei fahndet mit 30 000 Fotos nach Olaf Staps

Sicherheit bei Luxemburg-Gedenken wie bei Staatsbesuch - Täter gilt als sensibelHolger Stark Drei Tage vor dem geplanten Rosa-Luxemburg-Gedenken fahndet die Polizei mit 30 000 Fotos nach dem Drohbriefschreiber Olaf Staps. Kopien des Fahndungsfotos wurden an die Beamten verteilt.

Sicherheit bei Luxemburg-Gedenken wie bei Staatsbesuch - Täter gilt als sensibelHolger Stark

Drei Tage vor dem geplanten Rosa-Luxemburg-Gedenken fahndet die Polizei mit 30 000 Fotos nach dem Drohbriefschreiber Olaf Staps. Kopien des Fahndungsfotos wurden an die Beamten verteilt. "Wir gehen auch davon aus, dass es Personen gibt, die noch Kontakt zu Staps haben", sagte der Leiter des Staatsschutzes, Peter-Michael Haeberer. "Wir hoffen, dass sich noch jemand bei uns meldet." Bei der Luxemburg-Demonstration werden "die Sicherheitsmaßnahmen ähnlich wie bei einem Staatsbesuch sein", sagte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gestern dem Tagesspiegel. "Wir nehmen den Fall sehr, sehr ernst."

Olaf Staps hatte in Schreiben an die PDS, die Polizei und den Tagesspiegel angedroht, die PDS-Veranstaltung mit Handgranaten und einer Maschinenpistole anzugreifen. Daraufhin wurde die Gedenkfeier am vergangenen Wochenende verboten. Sie soll nun am kommenden Sonnabend an der Gedenkstättefür Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht stattfinden.

Derzeit ist ein ganzes Kommissariat an Zielfahndern hinter dem 39-Jährigen her. Die Auswertung der Schreiben hatte ergeben, dass Staps die Drohbriefe erst kurz vor der Veröffentlichung geschrieben hat und offenbar noch immer Zugang zu einem Computer hat. Staps hielt sich früher gerne in Bibliotheken auf, die Besuche seien aber schlagartig im September abgerissen, nachdem der Ost-Berliner seine Wohnung in der Grünberger Straße angezündet hatte.

Staps muss sich nach einem monatelangen Streit mit seinen Vermieter ohne Ausweg gesehen haben; erhoffte Unterstützung vom Bezirksamt blieb aus. "Er ist vom Bezirk tatsächlich nicht gut behandelt worden", sagt ein Kenner des Konflikts. Stück für Stück brach Staps im Herbst seine sozialen Kontakte ab. Nachdem ihm der Vermieter fristlos gekündigt hatte, zerstörte der gebürtige Jenaer seine Wohnung, in der er seit elf Jahren gewohnt hatte. Bei dem Brand wurde auch seine umfangreiche Amiga-Schallplattensammlung vernichtet, die zu den ihm wichtigsten Sachen zählte - ein Anzeichen dafür, wie sehr er sich in die Ecke gedrängt fühlte.

In seinem Umfeld ist Staps als ein Mann bekannt, der viel Wert auf moralische Integrität und Solidarität legt. Jahrelang arbeitete er in der Altenpflege; bis zum Sommer war er in einem Freibad als Rettungsschwimmer tätig. "Er hat ein starkes soziales Verantwortungsgefühlt", sagt ein Bekannter. "Umso mehr wundert mich, dass er jetzt Unbeteiligte töten will. Ein Attentat auf eine Menge würde zu seiner Einstellung nicht passen." Staps versteht sich als Sozialrevolutionär - ein politisches Verständnis, das zwar Staat und Kapitalismus kritisiert, sich aber mit "dem Volk" solidarisiert. Das Bizarre: Wenn er auf die Teilnehmer des Gedenkens schießen würde, würde er damit genau die treffen, mit denen er sich sonst immer solidarisiert.

Nach dem Mauerfall engagierte sich der Soziologiestudent zunächst bei den Grünen. Anfang der 90er Jahre trat er allerdings enttäuscht aus der Partei aus und sprach den Grünen ab, für die Linke zu sprechen. Fand er Sachen ungerecht, hat er sich schon immer dagegen aufgelehnt. Als die DDR 1988 Waffen an den Irak verkaufte, protestierte Staps, der auch Mitglied der Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen" war, mit einem Plakat - und wurde prompt festgenommen. Mit seinen Eltern, die als Akademiker der DDR nahe standen, stritt er sich über deren Staatstreue. 1986 zog er im Streit aus. Seitdem haben ihn die Eltern und die Schwester nicht mehr gesehen.

Staps galt zudem schon immer als sensibel. In einem Gedicht (siehe Dokumentation) schrieb er in den 80er Jahren: "Viel zu lange machte ich das Zweifeln zum Verzweifeln. Viel zu lange verzichtete ich aufs wirkliche Leben."

Holger Stark

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