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In diese Jacken war das Neugeborene eingewickelt.

© Polizei Berlin

Update

Berlin-Friedrichshain: Ausgesetztes Baby: Linke Szene meldet sich zu Wort

Auch knapp eine Woche nach dem Fund eines Neugeborenen in Berlin-Friedrichshain gibt es keine heiße Spur. Nun meldete sich die linke Szene zu Wort - mit Kritik an Presse und Polizei.

Denn das Baby war vor einem politisch-soziales Wohnprojekt und Club „Scharni 38“ gefunden worden. Auf einer linksextremistischen Internetseite veröffentlichten "einige bewohner_innen des hausprojekts scharnie 38" in der Nacht zu Dienstag unter dem Titel "Zur Sache mit dem ausgesetzten Baby" eine Stellungnahme. Darin heißt es: "Wir sind geschockt darüber, dass sich ein Mensch dazu entschlossen hat, einen Säugling in unserem Hauseingang abzulegen. Warum ausgerechnet unser Haus ausgewählt wurde, wissen wir nicht. An Spekulationen werden wir uns nicht beteiligen."

Es folgt eine Beschimpfung der Presse, die "aus menschlichem Unglück und dem Bedienen gesellschaftlicher Ressentiments Kapital schlägt" sowie der Polizei. Es werde verschwiegen, dass für das Landeskriminalamt "lediglich die Strafverfolgung und nicht etwa Fürsorge im Sinne von psychologische oder medizinischer Hilfe" von Interesse sei. Dass die Polizei versucht, Hinweise aus dem Umfeld der Mutter zu erlangen, sei "scheinheilig und ekelhaft" so die Kritik. Zuletzt heißt es: "Was auch immer die Gründe für die Aussetzung des Kindes waren- Armut, Perspektivlosigkeit, Gewalt, Angst, soziale Isolation oder Illegalisierung – wir wünschen den Eltern und dem Kind eine bessere Zukunft und ein langes Leben in Freiheit."

Die Suche nach der Mutter des kleinen Mädchens in Friedrichshain war bislang erfolglos. Hinweise hat die Polizei über die Osterfeiertage nur einen Einzigen erhalten - und der half nicht weiter. Das Mädchen ist weiter im Krankenhaus. Es war zunächst wegen Unterkühlung behandelt worden. „Das Kind hat sehr viel Glück gehabt“, hatte die zuständige LKA-Hauptkommissarin Gina Graichen am Donnerstag in der RBB-„Abendschau“ gesagt.

Passant fand das Kind in der Nacht

In der Nacht zum Mittwoch war das neugeborene Mädchen in Friedrichshain ausgesetzt worden. Ein Passant fand den Säugling um 1.40 Uhr im Hauseingang des Hauses Scharnweberstraße 38. Das Baby war in drei Jacken gewickelt und auf dem Boden neben der Haustür abgelegt. Es könnte dort in der Kälte bis zu vier Stunden gelegen haben. Die Polizei sucht Zeugen für den Zeitraum ab 21 Uhr. Das bedeutet, dass es für die Zeit vor 21 Uhr sichere Zeugenangaben gibt, dass das Kind bis zu dieser Uhrzeit dort noch nicht lag. Das Präsidium veröffentlichte Bilder des Hauseingangs und der drei Jacken, in die das Mädchen eingewickelt war. Diese auffälligen Jacken sind für die Polizei der wichtigste Ermittlungsansatz, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstag. Da zum Zeitpunkt des Ablegens der Sturm "Niklas" über Berlin tobte, werden nicht viele Menschen auf der Straße unterwegs gewesen sein, hieß es weiter.

Die Polizei hat folgende Fragen:

- Wer hat am Abend des 31.3. bzw. in der Nacht zum 1.4. 2015 in der Zeit von 21.00 Uhr bis 03.00 Uhr Beobachtungen gemacht, die in Zusammenhang mit der Aussetzung des Kindes stehen können?

- Wer kennt die auf den Fotos abgebildeten Jacken und kann Hinweise zu dem ehemaligen Besitzer geben?

- Wer kennt eine Frau, die kürzlich schwanger war oder bei der eine Schwangerschaft vermutet wurde, die nun kein Baby bei sich hat?

Die Scharnweberstraße 38 in Friedrichshain.
Die Scharnweberstraße 38 in Friedrichshain.

© Polizei Berlin

Wie in solchen Fällen üblich wird das Kind an Eltern vermittelt, die sich bereits seit längerem für eine Adoption beworben haben. Neue Bewerbungen für das Findelkind seien daher sinnlos, hieß es.

Babys werden immer seltener ausgesetzt

Babys sind in den vergangenen Jahren immer seltener ausgesetzt worden – zuletzt im November 2012 in einem Krankenhaus. In der Kriminalstatistik von 2013 werden drei Fälle von „Aussetzung“ genannt, von denen einer aufgeklärt wurde. Hierbei kann es sich jedoch auch um ältere Kinder handeln. Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor.
Für Kindesaussetzung sieht das Gesetz eine Strafe von ein bis zehn Jahren vor. Für das Strafmaß ist insbesondere von Belang, wo und wie die Mutter das Kind ablegt. Im November 2012 hatte eine Unbekannte ihr Baby in der Toilette der Kinderrettungsstelle zurückgelassen, wo es sehr schnell gefunden wurde. Vor einigen Jahren war ein Kind vor einem Einfamilienhaus abgelegt worden, versehen mit einem Brief mit der Bitte, sich um das Neugeborene zu kümmern. Die oder der Unbekannte hatte sogar noch an der Gartenpforte geklingelt, konnte sich also sicher sein, dass das Findelkind schnell gefunden wird.

In Berlin gibt es fünf Babywiegen

In Berlin gibt es zudem in fünf Krankenhäusern so genannte Babywiegen, meist „Babyklappe“ genannt. Zuletzt war im Mai vergangenen Jahres im Virchow-Klinikum Hellersdorf eine solche Wiege eingerichtet worden. Die Zahl der Babywiegen soll jedoch nicht weiter steigen, da im vergangenen Jahr das Bundesgesetz zur „vertraulichen Geburt“ in Kraft getreten ist. Babyklappen haben seitdem nur noch Bestandsschutz, neue darf es nicht mehr geben. Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) hatte sich mehrfach für diese Möglichkeit ausgesprochen, anders als viele seiner Parteifreunde. Die erste Klappe war 2001 im Krankenhaus Waldfriede in Berlin eröffnet worden. Von 2001 bis 2013 wurden in der Hauptstadt 57 neugeborene Babys in diese Wiegen gelegt, die dann an Adoptiveltern vermittelt wurden.

Hinweise nehmen die Fachdienststelle des Landeskriminalamts LKA 123 in der Keithstraße 30 in Tiergarten unter der Rufnummer (030) 4664- 912 555 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.

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