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Berliner Landgericht: Vater missbrauchte Tochter jahrelang – Bewährungsstrafe

Manfred W. verging sich 282 Mal an seinem Kind. Weil das Opfer jahrelang schwieg, sprach das Berliner Landgericht ein mildes Urteil. Die inzwischen 24-jährige Tochter nahm den Richterspruch wie versteinert zur Kenntnis.

282 Mal hat Manfred W. seine Tochter missbraucht. Das gestand er gestern vor dem Berliner Landgericht. Zu dem Prozess war der 61-jährige Mann aus Marzahn als freier Mann gekommen. Nach vier Stunden verließ er den Saal mit einem milden Urteil: zwei Jahre Haft auf Bewährung. „Für das Opfer ist das ein Schlag ins Gesicht“, kritisierte die Anwältin der Nebenklägerin.

Es ist – wie so oft in Fällen von sexuellem Missbrauch – eine Entscheidung, in der Zeit eine große Rolle spielte. Viele Jahre vergingen, ehe die inzwischen 24-jährige Susanne K. (Name geändert) über das sprechen konnte, was ihr in ihrer Kindheit angetan wurde. Die Übergriffe des Vaters begannen im Sommer 1992. Es war ihr siebter Geburtstag, als das Kinderzimmer erstmals zum Tatort wurde. 15 Jahre später ging Susanne K. zur Polizei. „Sie war früher nicht dazu in der Lage“, sagte ihr Anwältin. Davon profitierte der Täter jetzt. Zugunsten des Angeklagten sei neben seinem Geständnis berücksichtigt worden, „dass die Taten 13 bis 18 Jahre zurückliegen“, hieß es im Urteil.

Manfred W. hatte im Prozess nicht viele Worte verloren. Es hatte Vorgespräche mit den anderen Prozessbeteiligten gegeben. Über seinen Verteidiger ließ er eine kurze Erklärung verlesen. „Die Taten werden eingeräumt“, hieß es. W. sah dabei nicht auf. Ein prozesstaktisches Geständnis, von Reue war keine Rede. „Ich habe nicht gehört, wie er zu seinen Taten steht“, kritisierte die Nebenklage-Anwältin. „Meine Mandantin schlägt sich mit dem, was er ihr antat, ihr Leben lang herum.“ Manfred W. sagte in seinem Schlusswort, seine Tochter würde Entschuldigungen wohl gar nicht hören wollen.

Der arbeitslose Schlosser missbrauchte seine Tochter, während die Mutter zur Arbeit war. Das hatte Manfred W. bereits mit ihrer eineinhalb Jahre älteren Schwester getan. Die Übergriffe liefen vermutlich zum Teil parallel. Im Falle der älteren Tochter waren es Lehrer, die Verdacht schöpften. Mit der Anzeige endete auch der Missbrauch von Susanne K., die damals 13 Jahre alt war. Im März 1998 stand Manfred W. wegen sexuellen Missbrauchs der älteren Tochter vor Gericht. Drei Fälle wurden verurteilt. Er kam mit zwei Jahren Haft auf Bewährung davon. Wären damals bereits auch die Taten zu- lasten von Susanne K. bekannt gewesen, hätte W. mit einer Haftstrafe von etwa fünf Jahren rechnen müssen.

Das milde Urteil gegen ihren Vater nahm Susanne K. wie versteinert im Gerichtssaal zur Kenntnis. Das Gesetz lässt zu, was für Nichtjuristen schwer nachvollziehbar ist: Das lange Schweigen eines Opfers, das bei Beginn der Taten gerade sieben Jahre alt war, kommt dem Täter zugute. Er ist damit wahrlich kein Einzelfall – die derzeitige öffentliche Debatte um sexuellen Missbrauch von Kindern in Kirchen und Schulen macht das deutlich. Die Täter kommen nach Schätzungen zu 85 Prozent aus dem sozialen Umfeld ihrer Opfer. Sie nutzen ihre Autorität und ihre Vertrauensposition aus.

Die verhängte Bewährungsstrafe entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Manfred W. muss seiner Tochter außerdem ein Schmerzensgeld von 1000 Euro zahlen. Zusätzlich legten ihm die Richter 300 Stunden gemeinnützige Arbeit auf. Die Nebenklage-Anwältin hatte dagegen drei Jahre Gefängnis gefordert.

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