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© dpa

Berliner Nahverkehr: Stiche, Schläge, Tritte: Vier Angriffe in 24 Stunden

Die Serie brutaler Gewalttaten im Nahverkehr reißt nicht ab. In der U-Bahn wurde ein Mann zusammengetreten, der Frauen gegen Pöbeleien beigestanden hatte. Er war nicht das einzige Opfer am Wochenende. Jetzt soll mehr Personal die Sicherheit bei der BVG verbessern.

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Vier weitere Gewalteskalationen in Bussen und Bahnen der BVG erschüttern Berlin. Am späten Samstagabend wurde ein 34-jähriger Busfahrer in Kreuzberg in einem Doppeldecker der Linie M29 von einem Unbekannten niedergestochen. Stunden zuvor war, wie berichtet, ein 44-Jähriger in einem Zug der U-Bahn–Linie 9 von einem Unbekannten mit einem wuchtigen Fußtritt gegen den Kopf niedergestreckt worden. Und auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee soll gestern früh eine 20-jährige Frau einen 19-jährigen dunkelhäutigen Mann aufs Gleis gestoßen haben. Unabhängig davon will die BVG jetzt ihr Sicherheitspersonal um 500 bis 1000 Mitarbeiter aufstocken – finanziert aus einem Programm des Bundes und der EU.

Der Busfahrer war an der Ecke Adalbertstraße in Kreuzberg nach Angaben einer Zeugin ins Oberdeck gegangen, um zwei Randalierer aus dem Bus zu weisen. An der Tür zog einer von ihnen ein Messer und stieß es dem 34-Jährigen seitlich in den Oberkörper. Zwei Frauen, die schlichten wollten, wurden ebenfalls attackiert. Eine 40-Jährige erhielt Tritte gegen den Kopf und dasSchienbein und stürzte durch die geöffnete Tür auf die Oranienstraße. Die Täter flüchteten unerkannt. Beide sprachen nach Zeugenaussagen türkisch, auch der Busfahrer stammt aus der Türkei. Den Notknopf am Lenkrad, der Leitstelle und Polizei alarmiert, soll er erst gedrückt haben, nachdem er mit dem Messer attackiert worden war.

In der U-Bahn hatte der Deutsche den als türkisch- oder arabischstämmig beschriebenen Mann aufgefordert, mehrere junge Frauen im Waggon nicht weiter zu belästigen. Die Antwort: Der etwa 25 Jahre alte Mann schwang sich an den Haltestangen empor und trat seinem Gegenüber mit voller Wucht gegen den Kopf. Am Bahnhof Westhafen flüchtete der Mann. Nach Polizeiangaben waren die Verletzungen des Mannes weniger gravierend als befürchtet. Er konnte gestern Abend das Krankenhaus verlassen, zunächst war die Polizei von Lebensgefahr ausgegangen. Wegen der Brutalität der Tat hat eine Mordkommission die Ermittlungen übernommen. Der Täter könnte aus dem Drogenmilieu stammen. Der Waggon wurde von der Polizei zur Spurensicherung beschlagnahmt. Nach Angaben von BVG-Sprecherin Petra Reetz ist die Tat von den Kameras im Zug aufgezeichnet worden. Die Aufnahmen würden bereits ausgewertet; der Täter sei zu erkennen.

20-jährige Frau stößt 19-jährigen Mann vor die S-Bahn

Im U-Bahnhof Boddinstraße gerieten Sonntagfrüh zwei Gruppen Männer aneinander, „aus nichtigem Anlass“, wie es hieß. Die drei Araber zogen dann Messer und verletzten die drei Deutschen. Auf der Flucht rissen die Täter einem Zeugen das Handy aus der Hand, als dieser die Polizei alarmieren wollte. Der Zeuge rief dann in einer Telefonzelle die Polizei.

Völlig unvermittelt soll gestern eine 20-jährige Frau einen 19-jährigen Mann am S-Bahnhof Frankfurter Allee vor einem einfahrenden Zug in die Gleise gestoßen haben. „Sie hat den Mann dabei eindeutig rassistisch beschimpft“, sagte ein Polizeisprecher. Der Vorfall ereignete sich um 6.55 Uhr. Zuvor hatte die 20-Jährige den in Angola geborenen Mann ins Gesicht geschlagen und war dann davongegangen. Der junge Mann konnte sich nur mit Hilfe zweier unbeteiligter Fahrgäste in letzter Sekunde vor dem Zug retten. Der 42-jährige Zugführer erlitt einen Schock . Die junge Frau wurde festgenommen. Gegen sie wird nun wegen versuchten Mordes ermittelt. Die Polizei sucht noch nach Zeugen des Vorfalls. Am heutigen Tag soll sie einem Haftrichter vorgeführt werden. Opfer und Täter haben sich nach Polizeiangaben nicht gekannt. Auch sei der Attacke der Frau kein Streit oder eine Auseinandersetzung vorausgegangen, berichten Zeugen.

Um zumindest das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu verbessern, will die BVG zusätzliches Personal einstellen, das auch wieder auf Bahnhöfen präsent sein soll. Die S-Bahn dagegen setzt ihr Programm der weitgehend personalfreien Stationen fort.

500 bis 1000 neue Stellen im Sicherheits- und Servicebereich

Die BVG will 500 bis 1000 neue Stellen im Sicherheits- und Servicebereich schaffen, die aus einem Programm des Bundes und der EU finanziert werden sollen, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Noch seien die Gespräche aber nicht abgeschlossen. Man sei aber „auf dem besten Weg.“ Sollten die Verhandlungen erfolgreich sein, würden diese Mitarbeiter auch in Fahrzeugen mitfahren. Gewaltattacken wie am Wochenende könnten aber auch sie kaum verhindern.

Es sei ein Fehler, immer weniger Menschen im Service- und Sicherheitsbereich einzusetzen, sagte gestern der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, Hans-Werner Franz. Nirgendwo auf der Welt gebe es so wenig Personal wie in Berlin. Auch die Absicht der Koalitionsfraktionen, bis zu 300 Mitarbeiter in diesem Bereich einzustellen, die auch in Zügen mitfahren sollten, sei bisher nicht vorangekommen. Auch diese Mitarbeiter sollten weitgehend aus einem Bundesprogramm finanziert werden. Die Verhandlungen ziehen sich aber seit mehr als einem Jahr in die Länge, weil Berlin den Landesanteil in Höhe von 150 000 Euro im Jahr nicht aufbringen wolle.

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