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Einsatz am Mariannenplatz. Rechts vom Haupteingang des Künstlerhauses Bethanien liegt das Georg-von-Rauch-Haus, Wohnhaus und Treffpunkt einiger Berliner aus der linksalternativen Szene. Das Feuer am 25. Dezember könnte einen politischen Hintergrund haben, vermuten Nachbarn. Mehrere Menschen wurden verletzt.

© dapd

Brand am Bethanien: Die Polizei sucht Brandstifter, die linke Szene spekuliert

14 Menschen erlitten Verletzungen bei dem Großfeuer am Künstlerhaus Bethanien. Anwohner mutmaßen: Die Täter könnten Rechtsextreme sein.

Wenn man die Treppen in das Haus hinaufgeht, kriecht der Brandgeruch in jede Pore. Gleich links um die Ecke, im Flur, stand die „Give-Box“, da konnten die Bewohner Dinge hineinpacken, die sie nicht mehr brauchten, und sich etwas herausnehmen, ein soziales Tauschgeschäft. Hier soll Feuer gelegt worden sein, nichts ist von der „Box“ übrig, nur Asche am Boden und Ruß an der Decke. Auf den Stufen zum Keller hinunter ist es stockduster, man stolpert über Gerümpel, Kabel hängen von der Decke herunter, hier am Stromkasten befand sich der zweite Brandherd, sagt einer der Bewohner. Am ersten Weihnachtsfeiertag um 6.50 Uhr brannte es im Georg-von-Rauch-Haus, dem einst im Dezember 1971 besetzten ehemaligen Schwesternwohnheims des Bethanien-Krankenhauses am Mariannenplatz in Kreuzberg. Nach den ersten Erkenntnissen der Kriminalpolizei ist von Brandstiftung auszugehen. Zwei Menschen verletzten sich beim Sprung in Panik aus dem Fenster, zwölf Menschen erlitten eine leichte Rauchgasverletzung und wurden von der Feuerwehr in Rettungsstellen gebracht. 16 Personen konnte die Feuerwehr über Leitern retten, zwölf wurden durch das Treppenhaus hinaus geführt.

Am Tag danach gehen in dem Altbau, in dem gerade die 40 Jahre zurückreichende Hausbesetzergeschichte mit Diskussionen und Filmen gefeiert wurde, Bewohner, Nachbarn, Touristen und Schaulustige ein und aus. „Die Leute sind in Panik aus den Fenstern aufs Dach geklettert, auch eine schwangere Frau“, sagt ein junger Mann, der seit sechs Jahren im Rauch-Haus wohnt. Es wurde 1971 von den Besetzern nach dem Berliner „Stadtguerillero“ Georg von Rauch benannt, der nach einem Schusswechsel mit der Polizei starb. Jetzt sei hier am 25. Dezember ein Mann aus dem Fenster auf eine Mülltonne gesprungen, zwei Männer im Alter von 32 und 44 Jahren brachen sich beim Sprung aus dem ersten Stock mehrere Knochen, rissen sich beim Abrutschen an der Regenrinne die Arme auf. „Was für ein Glück, dass Balken und Decken nicht anfingen zu brennen“, sagt ein früherer Besetzer in dem Raum, in dem Yoga angeboten wird, auch eine Tischlerei gibt es. Die Heizung strahlt Wärme ab, aber viele Fenster sind geborsten.

„Ihr müsst euch einen linken Anwalt nehmen und bei der Hausverwaltung einreiten“, sagt ein Mann draußen zwischen all den besprühten Hauswänden und kreativ-chaotischem Gerümpel. „Brauchen wir nicht, die Leute von der Verwaltung waren schon hier, die wollen die Versicherung wegen der Fenster ansprechen“, sagt ein Bewohner. „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“, steht im Flur an der Wand, das stammt aus der Zeit, als Rio Reiser mit seiner Gruppe „Ton Steine Scherben“ sang: „Das ist unser Haus!“. Noch heute üben da Bands, hat laut einem Bewohner die Band „Stereo Total“ Räume. Auf einige Außenstehende wirkt das Ambiente ziemlich trashig. Die Bewohner sehen sich teils als Künstler, in dem selbst verwalteten Wohnkollektiv kamen auch obdachlose Jugendliche aus benachteiligten Kiezen unter.

„Es ist nicht zu verstehen, dass die Polizei nicht wegen versuchten Mordes ermittelt“, sagt ein Nachbar. Gemeinsam mit einem anderen Kreuzberger ist er der Überzeugung, dass es rechtsextremistische Täter waren. „Das Haus der Falken wurde angezündet, und im früher besetzten Tommy-Weisbecker-Haus wurde ebenfalls Feuer gelegt“, sagt ein 52-Jähriger. Auf den Internetseiten von Neonazis würden Jubelmails ausgetauscht. Ein anderer Mann sagt, sein Eindruck sei, dass womöglich der ein oder andere aus dem Rauch-Haus Drogenerfahrungen besitzt, möglicherweise nicht immer geistig ganz anwesend sei. Welchen Hintergrund auch immer das Feuer hat, da kursieren „pro Bewohner fünf Theorien“, sagt einer. Bei der Polizeipressestelle heißt es am zweiten Weihnachtsfeiertag zu diesen Mutmaßungen, man ermittle „mit Hochdruck in alle Richtungen“. kög

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