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U-Bahn

© dpa

BVG-Übergriff: Braucht Berlin eine "Task Force" gegen Gewalt?

Wieder ist am Wochenende ein junger Mann Opfer von brutaler Gewalt in der U-Bahn geworden. Das Problem der Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln ist längst bekannt - dass es zu einer schnellen Lösung kommen wird, ist allerdings nicht zu erwarten.

Die Gewalt im öffentlichen Nahverkehr in Berlin hat am Wochenende wieder einen neuen Höhepunkt erreicht. Nur mit sehr viel Glück kam ein 30 Jahre alter Schöneberger, der von drei Männern durch eine U-Bahn-Scheibe nach draußen geprügelt wurde mit leichten Verletzungen davon. Auslöser für diesen Ausbruch an Brutalität: Der Mann hatte die Täter offenbar aufgefordert, ihre Füße von der Sitzbank zu nehmen.

Gewalttätige Übergriffe in Berlins öffentlichem Nahverkehr gibt es immer wieder. Busfahrer werden geschlagen, bespuckt, bedroht oder sogar mit Messern angegriffen. Fahrgäste werden angepöbelt, verprügelt oder sexuell belästigt. Im Jahr 2007 stehen in der Kriminalstatistik genau 4759 Körperverletzungen und 1130 Raubtaten. Die Statistik für das Jahr 2008 liegt noch nicht vor – doch auch im vergangenen Jahr beherrschten regelmäßig Schlagzeilen wie diese die Berichterstattung: "BVG-Fahrer attackiert", "Mann in U-Bahn bewusstlos geschlagen" oder "Mann aufs Gleis gestoßen". Die Täter fliehen oft unerkannt.

Die BVG, der Berliner Senat und die Polizei versuchen seit vergangenem März an einem Runden Tisch, Schritte gegen Gewalt in die Wege zu leiten. Bisher hat er allerdings erst zweimal getagt - im März und im November. Dort wurde beschlossen, mehr Sicherheitskräfte in Bussen und Bahnen mitfahren zu lassen. Die BVG will außerdem die Videoüberwachung in U-Bahnhöfen deutlicher kennzeichnen und den Bahnhof Kottbusser Tor zu einem Musterbahnhof für Videoüberwachung machen. Dort soll es in Zukunft Videokameras auf Bahnsteigen, Gängen und Treppen geben – also praktisch überall.

Kritik am Runden Tisch

Auch über geschlossene Fahrerkabinen in Bussen wird diskutiert. Die Bemühungen dieses Runden Tischs schätzt Bodo Pfalzgraf, Berliner Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, allerdings als "halbherzig" ein. "Diese Maßnahmen werden höchstens mittelfristig etwas bringen, aber nicht kurzfristig", kritisiert er. Auch der Bund deutscher Kriminalbeamter bemängelt, "dass trotz eines runden Tisches und vorgeschlagenen Konzepten keinerlei Bewegung in die Thematik kam."

Pfalzgraf forderte im Gespräch mit tagesspiegel.de. schnellere und wirkungsvollere Maßnahmen im Kampf gegen die Gewalt in Bussen und Bahnen: "Es müsste eine Art Task Force geben, die schnellstmöglich die Täter aufspüren und bestrafen kann." Dafür solle eine einzige Dienstelle zuständig sein, nicht wie im Moment über 40 Dienststellen in ganz Berlin. "Wenn man die Gewalt schnell in den Griff kriegen will, muss die Strafe auf den Fuß folgen", so Pfalzgraf. Im Moment würden solche Maßnahmen jedoch mit Verweis auf Geld- und Personalmangel immer wieder abgelehnt werden. Im Vergleich zu anderen Großstädten wie Hamburg oder München habe Berlin in der Gewaltbekämpfung ein "echtes Defizit", so Pfalzgraf.

Opfer sind oft traumatisiert

Opfer von Angriffen im öffentlichen Verkehr haben meist noch lange mit den Folgen zu kämpfen. "Manche sind stark traumatisiert. Einige haben Einschlafstörungen oder trauen sich nicht mehr aus dem Haus oder in die öffentlichen Verkehrsmittel", beschreibt Veit Schiemann, Sprecher der Opfer-Hilfe Weißer Ring. Er könne zwar nicht feststellen, dass die Zahl der gewalttätigen Übergriffe in Bussen und Bahnen in den vergangenen Jahren zugenommen habe.

Doch sei insgesamt die Tendenz zu erkennen, dass Täter schneller und brutaler zuschlügen. "Die Hemmschwelle besonders bei Jugendlichen ist in den vergangenen 10-15 Jahren gesunken", sagt Schiemann. Auch der frühere so genannte "Ehrenkodex", dass man auf einen am Boden liegenden Menschen nicht mehr einschlägt, sei nicht mehr vorhanden. "Im Gegenteil. Wenn heute einer am Boden liegt, wird erst recht noch auf ihn eingetreten und geprügelt." Der Weiße Ring biete neben seiner Opferhilfe auch Projekte zur Gewaltprävention an. "Wir haben gemerkt, dass Prävention sinnvoll ist und auch funktioniert", sagt Schiemann. 

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