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Friedrichshain: Neonazi-Attacke: Opfer war vermutlich kein Unbeteiligter

Zwei Tage nach dem Gewaltexzess in Friedrichshain gibt es neue Erkenntnisse zum Tatablauf. Das Opfer gehörte offenbar zur Gruppe junger Linker, die mit den Rechtsextremen in Streit geriet. Politiker fordern, die Tat als Mordversuch zu werten.

Von Frank Jansen

Die Tat war grässlich, doch ihr Ablauf stellt sich inzwischen etwas anders dar als zunächst bekannt. Der von Rechtsextremisten in der Nacht zu Sonntag lebensgefährlich verletzte Student Jonas K. war nach Tagesspiegel-Informationen offenbar kein unbeteiligter Passant. Jonas K. habe zu der Gruppe junger Linker gehört, die mit den Rechtsextremisten am S-Bahnhof Frankfurter Allee in Streit gerieten, hieß es am Dienstag in Sicherheitskreisen. Bei der Schlägerei hatte ein Rechtsextremist eine Platzwunde am Kopf erlitten. Gegen K. wird nun, wie auch im Fall der anderen Linken, wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung ermittelt. Einen weiteren Linken, der auch der Gruppe zugerechnet wird, nahm die Polizei am Montag fest. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auch hier gefährliche Körperverletzung. Nach Auskunft der Polizei kam der Mann jedoch am Dienstagabend wieder frei. Die ersten Erkenntnisse der Polizei zur Tat hatten zunächst ein teilweise anderes Bild des Tatgeschehens ergeben. Die Ermittler waren am Sonntag davon ausgegangen, dass die Linken nach der Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten verschwunden waren und kurz darauf Jonas K. zufällig vorbeikam. Unstrittig bleibt bislang jedoch, dass die Rechtsextremisten den Studenten schwer misshandelten. Einer der Täter legte den offenbar schon völlig wehrlosen Jonas K. mit dem Gesicht nach unten auf den Gehweg und trat ihm auf den Kopf.

Die Brutalität erinnert an eine Szene aus dem Spielfilm „American History X“, in dem ein Nazi-Skinhead einem Schwarzen einen tödlichen „Bordsteinkick“ versetzt. Animiert durch den Film hatte im Juli 2002 ein Rechtsextremist im brandenburgischen Potzlow einen Schüler mit einem Sprung auf den Kopf ermordet.

Was sich in Friedrichshain abgespielt hat, ist allerdings noch nicht vollkommen geklärt. Bislang gilt folgende Version als wahrscheinlich: Die vier Rechtsextremisten kommen gegen 5 Uhr 40 aus der Diskothek Jeton an der Frankfurter Allee. Im Jeton verkehren häufig Hooligans und Neonazis. Eine Gruppe von etwa zehn Linken sieht, dass einer der Rechten eine Jacke der in der braunen Szene beliebten Marke Thor Steinar trägt. Die Linken gehen aggressiv auf die Rechten zu, es kommt zur Schlägerei. Einer der Rechten bekommt eine Platzwunde ab, die Linken hören auf und entfernen sich. Warum Jonas K. zurückbleibt, ist unklar. Die Rechtsextremisten lassen jedenfalls ihre Wut an dem Studenten aus. Einer der Rechten tritt Jonas K. auf den Kopf. Der Student überlebt nur knapp. Es geht ihm weiterhin sehr schlecht.

Die vier Rechtsextremisten aus Berlin und Brandenburg sitzen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hält ihnen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Dass die Behörde die Tat nicht als versuchten Mord wertet, stößt in Teilen der Politik auf Verwunderung. Bei einem Bordsteinkick sei es doch eindeutig, dass der Täter das Opfer ermorden will, sagte Udo Wolf, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Aus seiner Sicht sei das Verbrechen in Friedrichshain mit dem Fall Potzlow vergleichbar. Dort wurde der Haupttäter wegen Mordes verurteilt. Für den Vizechef der SPD- Fraktion, Fritz Felgentreu, ist es logisch, dass die Staatsanwaltschaft vor Erhebung der Anklage im Fall Friedrichshain prüfen muss, ob versuchter Mord vorliegt. Erst recht, wenn das Opfer wegen seiner politischen Einstellung malträtiert worden sei.

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