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Die Sicherungsverwahrung verstößt gegen die Menschenrechte hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Mehrere Gewaltverbrecher mussten daraufhin entlassen werden.

© dpa

Grundsatzurteil gegen Sicherungsverwahrung: Schwerverbrecher nach Freilassung wieder in Haft

Aus der Sicherungsverwahrung musste Rainer P. nach einem Grundsatzurteil entlassen werden. Nicht einmal acht Monate später fällt der 55-Jährige erneut durch zwei schwere Straftaten auf - für den psychologischen Gutachter keine Überraschung.

Er war der Erste, der rauskam und er ist der Erste, der rückfällig wurde. Am 28. Februar 2011 wurde Rainer P. aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur nachträglichen Sicherungsverwahrung (SV) freigelassen. Die Justiz bestätigte am Montag Informationen des Tagesspiegels, dass der 55-Jährige bereits seit November wieder im Gefängnis sitzt, nachdem er erneut schwere Straftaten beging. Informiert wurde die Öffentlichkeit darüber nicht, weder von der Staatsanwaltschaft noch der Justizverwaltung. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU), seit Januar im Amt, wollte die damalige Informationspolitik am Montag nicht kommentieren. Aber er versprach: „Künftig wird die Öffentlichkeit bei wichtigen Justizangelegenheiten informiert.“ Doch was wichtig ist, entscheidet die Staatsanwaltschaft. Dort hieß es, dass Pressemeldungen „keine Pflicht“ seien, sondern stets Ermessenssache.

P. ist dem Vernehmen nach durch zwei schwere Straftaten aufgefallen: Im Oktober raubte er in Wedding auf der Müllerstraße einem Mann die Lederjacke mit Geld und Papieren. Am 16. November wurde er festgenommen, nachdem er ebenfalls in Wedding einen Mann zusammengeschlagen hatte. In beiden Fällen hatte P. einen bislang unbekannten Komplizen, beide Taten ereigneten sich im Alkoholikermilieu, hieß es. Und auch P. soll bei der zweiten Tat nachweislich betrunken gewesen sein – und damit gegen eine der Auflagen bei seiner Entlassung verstoßen haben: Abstinenz. Jeder Verstoß dagegen ist ebenfalls strafbar.

Die Freilassung hatte im vergangenen Jahr Aufsehen erregt. Rainer P . war 1995 wegen Totschlags zu fünf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Diese „Haft nach der Haft“ konnte bis 1998 nur für maximal zehn Jahre verhängt werden. Dann strich der Gesetzgeber die Höchstgrenze, seitdem konnte die SV unbegrenzt dauern. Doch diese nachträgliche Verlängerung verstößt gegen die Menschenrechte, hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg im Dezember 2009 festgestellt.

Ein Gutachter kam zu dem Schluss, dass die Rückfallgefahr bei P. besonders hoch sei.

Seitdem kamen in Berlin etwa ein Dutzend Männer frei. Die Prognose des Gutachters Hans-Ludwig Kröber für P. war damals ausgesprochen schlecht: er wird wieder rückfällig und begeht weitere Straftaten, lautete das Fazit. Genau so kam es: P. soll schnell wieder ins Alkoholikermilieu abgerutscht sein. Bei den vorgeschriebenen Besuchen beim Therapeuten soll er geäußert haben, dass diese „überflüssig“ seien. „Er hat sich sofort wieder gehen lassen“, sagte einer, der P. kennt. Mittlerweile hat ein Gericht die Freilassung zur Bewährung von Februar 2011 widerrufen, Rainer P. sitzt damit faktisch wieder in Sicherungsverwahrung. Und dem Vernehmen nach strebt die Staatsanwaltschaft für die neuen Taten eine dauerhafte Unterbringung in der SV an.

Seit seinem 14. Lebensjahr ist P. als Gewalttäter aufgefallen, seitdem soll er alkoholabhängig sein. Mitgefangene hatten ihn als „völlig verwahrlost“ geschildert und prophezeiten vor seiner Entlassung, dass er es nicht in Freiheit aushalten wird – auch der Gutachter hatte dafür dafür „nur geringe Chancen“ gesehen. Als Erwachsener verbrachte P. insgesamt vier Jahre in Freiheit. Zunächst erhielt er Haftstrafen wegen Raubüberfällen, immer war er bei den Taten betrunken. 1989 trat P. einem Obdachlosen im Streit in den Bauch, der Mann starb. Urteil: Fünf Jahre Entziehungsanstalt. 1993 tötete er erneut einen Obdachlosen und beraubte ihn. Urteil: Fünf Jahre plus SV. Nun könnte der Alkoholiker der erste deutsche Gefangene werden, der zum zweiten Mal Sicherungsverwahrung erhält.

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