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© dpa

Hacker aus der Luft: Krähen greifen Fußgänger in Mitte an

Schnabelhiebe auf Passanten: In der Reinhardtstraße brütet ein Krähenpaar und verteidigt aggressiv sein Revier. Jetzt werden Schilder aufgestellt.

Von Sandra Dassler

„Verweile doch“ steht in großen Buchstaben vor dem Deutschen Theater, doch einigen Passanten mag diese Bitte in den vergangenen Tagen wie Hohn erschienen sein. „Ich wollte nur noch hier weg“, erzählt ein Mann: „Diese schwarzen Biester sind wirklich lästig.“

Der Mann, der seinen Namen nicht nennen will, arbeitet in der Charité und läuft jeden Tag durch die Parkanlage zwischen Reinhardt- und Schumannstraße. Am Dienstag wurde er von Krähen attackiert. Und war nicht der Einzige. Am Freitag meldete die Polizei, dass einen Tag zuvor in der Reinhardtstraße ein Fußgänger von zwei Krähen angegriffen wurde. Die Vögel hätten den Mann mit ihren Schnäbeln auf den Kopf gehackt, hieß es. Nur mittels seines Rucksacks habe er sich vor Verletzungen schützen können.

Die alarmierten Polizeibeamten fanden die Brutstätte des Bösen und informierten das Grünflächenamt Mitte. Das ließ Zettel mit der Aufschrift „Achtung Krähenbrutgebiet“ an den Bäumen anbringen – als Warnung.

Die meisten Passanten nahmen diese Warnung am Freitag allerdings gar nicht wahr. „Ich dachte, die weisen darauf hin, dass man eventuell Vogelkot auf den Kopf bekommen kann“, sagt Bernd Scheibe, der ganz in der Nähe einen Coffeeshop betreibt. Er hat noch nie etwas von den Angriffen der Vögel gehört.

Ganz anders die beiden jungen Frauen, die wenige Meter entfernt zum Rauchen vor die neue Zentrale der Heinrich-Böll- Stiftung getreten sind. „Das geht schon so seit letzter Woche“, erzählt die eine: „Ich habe zum Beispiel gesehen, wie eine Krähe eine Frau angriff. Die rannte weg, aber der Vogel verfolgte sie.“

Die andere Frau hat beobachtet, wie eine Krähe von hinten einen Mann anflog, der durch den Park ging und ihm mit den Flügeln an den Kopf schlug beziehungsweise hackte. „Mein Chef kann von seinem Zimmer aus direkt auf das Nest gucken“, sagt sie und zeigt auf einen großen Götterbaum. Das Nest befindet sich etwa zehn Meter über der Erde, manchmal schaut ein Vogelkopf heraus.

„Das mit den Angriffen ging los, als die Jungen geschlüpft waren“, erzählt die Mitarbeiterin der Böll-Stiftung. Die Naturschutzbehörde von Mitte bestätigt diese Beobachtung. Wenn die Jungvögel flügge werden, könnten ihre Eltern aggressiv reagieren, falls sie die Brut bedroht sehen, heißt es. Von den etwa 5000 in Berlin heimischen Krähenbrutpaaren greife aber weniger als ein Prozent auch Menschen an. Die Polizei führt keine Statistik darüber – wer zeigt schon eine Krähe an?

Schlimmer als der durch die Schnäbel verursachte Schmerz sei oft der Schrecken der Betroffenen, sagt eine Bezirksamtsmitarbeiterin. Und warnt davor, vermeintlich aus dem Nest gefallene Jungvögel aufzuheben. Da drehen die Eltern durch. Von wegen Rabenmutter! Diese Bezeichnung ist ja gerade deshalb zustande gekommen, weil junge Raben und manche andere Vögel das Nest verlassen, bevor sie fliegen können, und am Boden unbeholfen wirken. Daraus entstand der Trugschluss, dass Raben keine fürsorglichen Eltern seien. Dabei füttern sie ihre bettelnden Jungen jedoch noch einige Wochen lang und schützen sie vor Feinden. Wie die Berliner gerade erfahren.

Auch in den vergangen Jahren wurden beispielsweise aus Kreuzberg und Charlottenburg hin und wieder Krähenattacken gemeldet – immer im Mai. Und immer nur ein paar Tage lang. Dann sind die Jungen flügge, und dann kann man im Park vor dem Deutschen Theater wieder gefahrlos verweilen. 

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