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Kriminalstatistik: Verwirrende Zahlen in Polizeistatistik

Bei Mord nennt sie eine Steigerung von 40 Prozent Tatsächlich gab es 2009 deutlich weniger Fälle als 2008.

Manche Zahl in der Kriminalstatistik kann schockieren: Bei Mord und Totschlag nennt das polizeiliche Zahlenwerk für 2009 ein Plus von knapp 40 Prozent. Also 40 Prozent mehr Mord und Totschlag in der Stadt? Nein, ganz im Gegenteil: 42 Menschen wurden im Jahr 2009 getötet, 2008 waren es 50 Opfer gewesen – das ist ein Rückgang von 16 Prozent.

Dass dennoch beide Angaben korrekt sind, das verstehen in der Gänze nur noch Experten. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen: So ist die „Polizeiliche Kriminalstatistik“, die heute von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch offiziell vorgestellt wird, eine sogenannte Ausgangsstatistik. Gezählt wird also ein Fall, wenn er abgeschlossen ist und an die Justiz abgegeben wird. Da bei Mord oft jahrelang ermittelt wird, bringt dies erhebliche Unschärfen in die Zahlen.

Zweitens werden unter „Mord und Totschlag“ auch Versuche gezählt. Deshalb haben zum Beispiel die Kreuzberger Maikrawalle die Berliner Mordstatistik deutlich beeinflusst, man kann auch sagen: verfälscht. Denn die Justiz hatte im vergangenen Jahr erstmals das Werfen eines Brandsatzes auf Polizisten als versuchten Mord gewertet. Obwohl kein Polizist ernsthaft verletzt wurde, machten diese Brandflaschen am Ende fast genau zehn Prozent aller „Mord“-Fälle aus, nämlich 7 von 71. In den vergangenen Jahren waren solche Taten als versuchte Körperverletzung gewertet worden.

Drittens gab es eine Änderung innerhalb der Statistik, die „versuchte Anstiftung“ zum Mord wird nun nicht mehr in der Rubrik „Versuch der Beteiligung“ gezählt, sondern unter „Mord“. Das waren sechs weitere Fälle.

Viertens haben, so das Kleingedruckte in der neuen PKS, die Ermittler fünf Uraltmorde „versehentlich nochmals für das Jahr 2009 gezählt“. Fünftens gab es eine – komplizierte – Angleichung des Berliner Zahlenwerkes an die Statistik des Bundeskriminalamtes, diese schlägt bei Mord mit fünf weiteren Taten zu Buche.

Dies sind die fünf Hauptgründe für den Anstieg um knapp 40 Prozent. Letztlich wurden in Berlin also nur 42 Menschen ermordet und getötet. Übrigens: 2007 waren es sogar 66, ein ganz klarer Trend zum Besseren also.

Ähnliche Verfälschungen gibt es bei vielen Delikten. Die Jugendkriminalität sinkt unter anderem auch deshalb, weil es weniger Jugendliche in der alternden Stadt gibt. Im Jahr 2000 waren 20 Prozent der Bevölkerung zwischen 14 und 18 Jahre alt, nun sind es nicht einmal mehr 18 Prozent. Auch solche Zahlen stehen in der PKS. Bei einigen Delikten kann die Polizei die Zahlen beeinflussen: Gibt es viele Drogenkontrollen, gibt es viele Straftaten. Lässt die Polizei die Kontrollen einfach sein, sinkt auch die Zahl der Straftaten. Wie berichtet, kritisieren die Polizeigewerkschaften seit langem, dass die PKS so verfälscht wird. Eine einleuchtende Begründung hat die Polizei auch für den Rückgang bei den Schwarzfahrern um 15 Prozent: Da monatelang kaum S-Bahnen fuhren, konnten weniger die Beförderung erschleichen.

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