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Kriminaltechnik: Wattestäbchen sind von gestern

Die Kriminaltechnik der Polizei ist teilweise veraltet. Anderswo werden ganz neue Methoden erprobt.

Wenn Michael Böhl an Wattestäbchen denkt, dann fallen ihm als Erstes die damit verbundenen Gefahren ein. Gefahren? „Wenn sie verunreinigt werden, kann eine Spur schnell wertlos werden“, erklärt Böhl. Er ist der Vize-Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und spricht von den langen Holzstäbchen mit den flauschigen Köpfen, die seine Kollegen – die in den weißen Papieranzügen – von der Spurensicherung benutzen, um DNA-Material an Tatorten zu sichern oder Speichelproben von Verdächtigen zu nehmen.

Im Mai, beim Landesdelegiertenkongress des BDK, hatte Böhl gefordert: Die Polizei darf bei der Kriminaltechnik nicht am falschen Ende sparen. Manches aus dem Fundus der Kriminaltechniker sei nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik. „Was nützt das beste Fachwissen, wenn es manchmal an den einfachsten Dingen fehlt oder die Technik veraltet ist?“, fragt Böhl – und nennt die Wattestäbchen als Beleg seiner Kritik. Denn praktisch sieht die Arbeit der Polizisten derzeit so aus: Ein Ermittler hat mithilfe des langen Stäbchens eine Spur gesichert, er steckt es zurück in die runde Plastikhülle, fährt mit dem Röhrchen auf die Dienststelle und muss dann das Stäbchen wieder herausziehen, um es „zum Trocknen an der Luft auf eine Halterung zu stellen“, schildert Böhl. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass im Röhrchen alles verfault. Doch bei diesem Prozedere sei die Gefahr der Verunreinigung recht groß.

Abhilfe soll eine neue Technik schaffen: Dabei ist der untere Teil des Plastikröhrchens mit Trockengranulat gefüllt, so dass das DNA-Stäbchen nicht extra wieder herausgeholt werden muss zum Trocknen. Die Berliner Kriminaltechniker prüften dieses Verfahren gerade. Wann und ob der Hersteller gewechselt wird, sei noch unklar. Die neue Technik ist teurer: Kostet ein altes Röhrchen 19 Cent, schlägt die neue Technik mit 80 Cent bis 1,20 Euro zu Buche.

Überhaupt, sagt Böhl, in Sachen Wattestäbchen müsse noch so einiges getan werden. „Wir fordern einheitliche Qualitätsstandards.“ Denn die Panne bei den Ermittlungen zum „Phantom von Heilbronn“ habe gezeigt, dass sich zuvor offenbar „kaum jemand Gedanken über das Problem von DNA-kontaminierten Stäbchen gemacht hat“, sagt Böhl. Mehrere Jahre lang fahndete die Polizei deutschlandweit nach einer bis dahin „unbekannten weiblichen Person“, die seit 1993 eine beispiellose Serie unterschiedlichster Verbrechen verübt haben soll; vor allem in Baden-Württemberg, Rheinland- Pfalz, im Saarland und in Österreich. Auch die Tötung einer 22-jährigen Polizistin in Heilbronn wurde aufgrund der DNA-Spuren dieser unbekannten Täterin zugeschrieben. Bis sich durch einen Zufall herausstellte, dass die nachgewiesenen DNA-Spuren der Verpackungsmitarbeiterin einer Herstellerfirma von Wattestäbchen gehörten.

„Die Hersteller konnten bislang nur Sterilität garantieren, nicht aber DNA- Freiheit“, erklärt Böhl. Viele Hersteller seien nun dabei, Methoden zu entwickeln, um die Wattestäbchen DNA-frei zu machen, damit sich eine derartige Panne nicht wiederholen kann.

Doch während die Berliner Polizei in Sachen Abstrichtechnik noch besser werden kann, ist sie offenbar zumindest bei der „Tatort-Lichttechnik“ schon recht weit. Denn die Berliner Spurensicherer arbeiten seit diesem Jahr mit einer der neusten Techniken: der „Quecksilber- Höchstdruck-Lampe“ eines Herstellers aus Bayern, die mit der bayerischen Polizei entwickelt wurde. Sie macht im Gegensatz zu den „alten“ Xenon- und Halogenlampen Fuß- und Fingerabdrücke sowie Sperma- oder Speichelflecken auf Stoffen noch besser sichtbar. Und zwar durch „sehr starkes UV-Licht“, wie der Hersteller erklärt, der das Modell an einer Puppen-Leiche vorführt. Die Lampe habe zehn verschiedene Spektren, sei leiser, verbrauche weniger Strom und könne mit Batterien betrieben werden.

Doch besonders angetan ist Böhl von einer ganz anderen Innovation: der künstlichen DNA. Diese Substanz lässt sich als eine Art Codierung verwenden. Sie wird erst unter ultraviolettem Licht sichtbar und färbt nicht ab. An Gegenständen haftet sie dauerhaft, an Haut etwa sechs Wochen. Polizeibeamte können sie mit einer speziellen Taschenlampe erkennen. Jede produzierte Charge ist einzigartig und kann daher ihrem Besitzer eindeutig zugeordnet werden. „So können Leute ihre Wertsachen individuell markieren“, schildert Böhl. Einbrecher hätten dann ein Problem, ihre Beute weiterzuverkaufen – und in den ersten sechs Wochen das Risiko, anhand der Spuren auf ihrer Haut überführt zu werden. Und falls gestohlene Gegenstände irgendwo auftauchen, kann die Polizei sie zweifelsfrei den rechtmäßigen Besitzern zuordnen. In Bremen läuft gerade ein Pilotprojekt: Dort soll die künstliche DNA in Haushalten in besonders einbruchgefährdeten Gebieten getestet werden. 

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