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Lichtenberg: Direkt nach der Geburt das Baby entzogen

Eine Vietnamesin in Untersuchungshaft kämpft um das Sorgerecht für ihr Kind. Das Jugendamt hatte der Frau direkt nach der Geburt das Sorgerecht entzogen.

Der Fall der 40-jährigen Vietnamesin empört den Pastor. „Das ist schlichtweg unmenschlich“, sagt Stefan Täubner, Seelsorger der vietnamesischen Gemeinde in Berlin. Seit November 2008 sitzt Thi Oanh N. in Untersuchungshaft im Frauengefängnis Lichtenberg, vor zwei Wochen brachte sie ihr Kind in der Lichtenberger Kinderklinik zur Welt – und hat es seitdem nicht mehr gesehen. Das Jugendamt von Königs Wusterhausen, wo die Frau gemeldet ist, entzog ihr das Sorgerecht. „Sie ist völlig verzweifelt“, sagt Pastor Täubner.

Bereits vor der Geburt hatte sich das Jugendamt für die Trennung von Mutter und Kind mit der Begründung ausgesprochen, dass die Inhaftierte sich in der JVA Lichtenberg nicht ausreichend um ihr Baby kümmern könne. Im Allgemeinen dürfen Mütter, auch im geschlossenen Vollzug, ihre Kinder bis zum Alter von einem Jahr bei sich haben, im offenen Vollzug sogar bis zu drei Jahren. Drei Standorte des Frauengefängnisses Berlin bieten dafür spezielle Räumlichkeiten. „Die Mutter-Kind-Unterbringungen werden in der Praxis aber kaum genutzt, weil Geburten während der Haft selten vorkommen, höchstens ein bis zwei Mal im Jahr“, heißt es bei der Senatsverwaltung für Justiz.

Thi Oanh N. wird vorgeworfen, Ausländer illegal nach Deutschland eingeschleust zu haben. Der Kindsvater sitzt ebenfalls in Haft; Angehörige der Mutter, die das Neugeborene aufnehmen könnten, gibt es in Deutschland nicht. Als die Behörden das Kind am 9. April in Obhut nahmen, reagierten die Anwälte der Vietnamesin noch am selben Tag mit Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht Cottbus: Die Richterin sprach das Kind der Mutter zu. Das Familiengericht in Königs Wusterhausen sprach sich später ebenfalls gegen eine Trennung aus und schlug vor, beide im Mutter-Kind-Bereich der JVA Pankow unterzubringen.

Trotzdem sind Mutter und Sohn immer noch getrennt. Eine erste „Hilfskonferenz“ des Jugendamtes, der JVA-Leitung und möglicher Trägervereine zur Mutter-Kind-Hilfe fand am gestrigen Dienstag statt. Bei Redaktionsschluss lag noch kein Ergebnis der Konferenz vor.

Die Gerichtssitzung in Cottbus förderte noch einen weiteren Aspekt des Falls zutage: Der Wöchnerin wurden nach der Geburt im Krankenhaus Medikamente gegen Schmerzen gegeben – diese stoppten aber auch den Milchfluss der ahnungslosen Mutter. „Der Frau wurde ihr Grundrecht, ihr Kind selber zu ernähren, ohne ihr Wissen genommen“, sagt Pastor Täubner. 

Solveig Rathenow

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