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Nur Mut. Zeugen von Gewalt in Bahnhöfen brauchen oft nur einen Knopf zu drücken – und können damit Leben retten.

© dpa

Update

Lichterfelde: Auf S-Bahnhof verprügelt: Zeugen halfen diesmal Opfer

Zwei Betrunkene haben am S-Bahnhof Osdorfer Straße einen 39-Jährigen angegriffen. Couragierte Fahrgäste griffen ein. Die Tat geschah eine Woche nach dem Überall in Lichtenberg. Die NPD nutzte den Fall auf ihre Weise.

Die Tat am S-Bahnhof Osdorfer Straße in Lichterfelde glich dem Angriff im U-Bahnhof Lichtenberg, doch diesmal kamen couragierte Fahrgäste dem Opfer rechtzeitig zu Hilfe. Zwei junge und betrunkene Männer begannen am Donnerstagnachmittag einen Streit mit einem 39-Jährigen. Sie schlugen am helllichten Tag auf den Mann ein und rammen ihm das Knie in den Brustkorb. Andere Fahrgäste auf dem S-Bahnsteig mischten sich ein, wenig später auch im

Zug, wo der Mann erneut von den beiden betrunkenen Russen attackiert wurde. Zeugen alarmierten schnell die Sicherheitskräfte, zwei Streifen der Bundespolizei waren wenig später zur Stelle und konnten die Schläger festnehmen. Die 19- und 24-jährigen Männer sind wegen Gewalttaten bereits polizeibekannt. „Dank dem couragierten Eingreifen anderer Reisender konnte Schlimmeres verhindert werden“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Das Opfer wurde nur leicht verletzt. Die Tat geschah knapp eine Woche, nachdem Marcel R. auf dem U-Bahnhof Lichtenberg von vier Jugendlichen zusammengetreten worden war. Er liegt immer noch im künstlichen Koma, teilte das Unfallkrankenhaus Berlin am Freitag mit. Eine Vorhersage, ob der Mann überleben und welche Schäden er davon tragen werde, sei nicht vor Montag möglich.

Für den Überfall sucht die Kriminalpolizei Zeugen – vor allem den Mann, der die Schläger letztlich vertrieben hat und so dem Kollegen von Marcel R. zur Flucht verhalf. Berichte, nach denen es sich bei dem Unbekannten um einen bewaffneten Rocker handeln soll, bestätigte die Staatsanwaltschaft nicht. Die Aussagen der Täter widersprächen sich, hieß es.  „Klar ist nur, es war kein 80-Jähriger am Krückstock“, sagte ein Justizsprecher. Von dem offenbar kräftigen, resolut auftretenden Mann hat die Polizei keine Videobilder, ebenso wenig vom Beginn der Auseinandersetzung. Auch weitere Tatzeugen haben sich trotz der dringenden Bitte immer noch nicht gemeldet.

Die drei 17-Jährigen sitzen in Untersuchungshaft, der 14-Jährige in einem Brandenburger Heim. Der Tatvorwurf lautet: Versuchter Raubmord in zwei Fällen – Höchststrafe dafür sind zehn Jahre. Alle vier waren zuvor nicht wegen Gewalttaten aufgefallen, hieß es. Bei der Polizei wurde das kompromisslose Vorgehen der Justiz schon bei der ersten Tat deshalb gelobt. Die vier Jugendlichen, die aus dem Irak, Kenia und Ex-Jugoslawien stammen, haben die Tat gestanden, aber eine Tötungsabsicht bestritten. Zuvor hatten sie behauptet, dass die Opfer sie mit rechten Parolen provoziert hätten, zogen diese Aussage später aber vor Ermittlern wieder zurück. Der FDP-Abgeordnete Sebastian Kluckert will geklärt wissen, ob die Tat einen „deutschenfeindlichen Hintergrund“ hatte. Zudem forderte die FDP die Abschiebung der Täter nach Verbüßung der Haft. Zu Wort meldete sich jetzt auch die Schwester des Opfers. Auf einer Internetseite schreibt sie an die Täter: „Ich hasse euch abgrundtief“. Und: „Ich bin Krankenschwester und habe viel Schlimmes gesehen. Aber der Anblick meines eigenen Bruders war das Schlimmste und Erschreckendste, was ich je erlebt und gesehen habe. Ich kann es in Worten nicht beschreiben.“ Die NPD nutzte den Fall auf ihre Weise und veranstaltete am Freitagabend am Bahnhof Lichtenberg eine Mahnwache unter dem Motto: „Kriminelle Ausländer raus“. Der Aufmarsch von 200 Rechten und 60 linken Gegendemonstranten verlief laut Polizei ohne größere Zwischenfälle.

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