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Mord an Ehefrau: Ein Verbrechen für das Sorgerecht

Ein Mann tötete seine Frau - und meldete sie als vermisst. Zum Prozessauftakt im Landgericht am Mittwoch setzt sich das Puzzle jener Ermittlungswochen via Zeugenaussagen wie im Zeitraffer zusammen.

Eine Kolumbianerin verschwindet. Der deutsche Vater ihrer Söhne, fünf und sieben Jahre alt, lebt von seiner Frau getrennt. Er wollte sie zur Übergabe der Kinder treffen, die im Wochenrhythmus bei ihm sind, nun erstattet er Vermisstenanzeige. Sie sei labil, seit einem Vergiftungsunfall „völlig durch den Wind“, suizidgefährdet, öfter schon verschwunden, jetzt vielleicht nach Kolumbien, erzählt er Bekannten und der Polizei. Vier Wochen später, am 1. November 2011, wird die Mordkommission hinzugezogen. Zehn Tage darauf wird Helmut K. verhaftet. 43 Tage nach der Tat gesteht er, Andrea V. am 30. September im Streit getötet zu haben, sie habe ihn angegriffen.

Zum Prozessauftakt im Landgericht am Mittwoch setzt sich das Puzzle jener Ermittlungswochen via Zeugenaussagen wie im Zeitraffer zusammen. Am 29. September soll der 48-jährige K. telefonisch geäußert haben, er bestehe auf Scheidung und alleinigem Sorgerecht. Am 30. September kauft seine Frau gegen Abend noch Lebensmittel ein. Die 32-Jährige fährt dann, von K. zum gemeinsamen Film-Anschauen eingeladen, in seine Wohnung nach Hohenschönhausen. Am 2. Oktober sucht K. wegen einer Armverletzung, die er sich beim Müllwegbringen am Vortag zugezogen habe, die Ambulanz auf. Während der Folgetage äußert sich der sonst wortkarge Mann in der Kita und in der Schule seiner Kinder ausführlich zu Problemen der Vermissten. In deren Wohnung finden Beamte einen Brief an K., dass sie um ihre Ehe kämpfen wolle. Ermittlern erzählt K., dass V. von ihm eine seiner Eigentumswohnungen erpressen wolle und wegen seiner neuen Freundin „ausgerastet“ sei. Er habe ihr eine preiswerte Scheidung in Kolumbien und 10 000 Euro Abfindung angeboten. „Sehr ruhig“ wirkt er in der Vernehmung. So „glatt“ habe K. da alles „heruntergerattert“, dass den Kommissar der Eindruck befiel, die Aussage sei „nicht schlüssig“.

In der Verhandlung schaut K. oft auf den Boden, seine Augen flackern. Die Staatsanwältin hat leise die Anklage verlesen, dass er bereits am 24. September geplant habe, Andrea V. zur Erlangung des Sorgerechts und zur Einsparung von Scheidungs- und Unterhaltskosten zu töten. Er habe sie mit einem Beutel voller Steine erschlagen, dann erwürgt. Neben der Staatsanwältin sitzen vier Vertreterinnen der Nebenklage, der Kinder, der Eltern des Opfers. Die beiden Verteidiger versuchen durch Einwände gegen die Schöffen eine Vertagung zu erreichen; sie rügen, aufgrund der Stichworte „Mord aus Habgier“ erfolge in den Medien eine Vorverurteilung. Sie unterstreichen die Labilität des Opfers, die Affekthandlung ihres Mandanten. Im Zuschauersaal folgt die kolumbianische Community dem Prozess stark bewegt. Thomas Lackmann

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