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Einsatz nach Plan. Bei diesem Brand in Neukölln wurden am Donnerstag sieben Menschen verletzt. Wer vor Aufregung statt der Feuerwehr die Polizei anruft oder umgekehrt, wird sofort zur richtigen Leitstelle weiterverbunden – normalerweise.

© dapd

Nach ignoriertem Notruf: Polizeibeamter versetzt, Kollegen fassungslos

Der Polizeibeamte, der am Mittwochmorgen gleich zwei Notrufe ignoriert hat, arbeitet ab sofort nicht mehr in der Einsatzleitzentrale, sondern in einem anderen Bereich.

Ein Polizeisprecher erklärte, dass die Versetzung "in beiderseitigem Einvernehmen" erfolgt sei. Über dienstrechtliche Konsequenzen werde nach Abschluss des Strafverfahrens entschieden. Das Verhalten des Beamten macht Kollegen fassungslos. „Im Moment ist es unerklärlich“, hieß es. Gegen den 51-jährigen Kommissar wird wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt.

Eine Frau hatte, wie berichtet, den Notruf 110 gewählt, weil sie in einer Grünanlage an der Richard-Wagner-Straße in Charlottenburg eine Schwerverletzte entdeckt hatte. Die Frau blutete stark, nachdem sie versucht haben soll, sich die Pulsadern zu öffnen. Die Zeugin forderte Hilfe an. Doch der Kommissar am Telefon soll gesagt haben: „Ich habe keinen Polizeiwagen frei“. Doch das sei kein Argument, sagte ein Beamter. Wann genau der erste Notruf einging, wollte die Polizei am Freitag mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht sagen. Zuvor war von „gegen 9.45 Uhr“ die Rede. Erst als um 10.26 Uhr – also rund eine dreiviertel Stunde später – ein weiterer Zeuge anrief, wurden ein Streifen- und ein Rettungswagen losgeschickt. Dessen Besatzung forderte dann einen Notarzt an, weil die Frau so schwer verletzt war.

Der Polizist hätte in jedem Fall den direkten Kontakt zur Feuerwehr herstellen müssen, da es sich um eine schwer verletzte Person handelte, sagte ein Beamter. Umgekehrt sei es ebenso: Meldet ein Anrufer einen Raub über den Notruf der Feuerwehr, stellt die ihn zur Polizei durch. „Niemand wird dafür verantwortlich gemacht, dass er den falschen Notruf wählt“, hieß es. Die Mitschnitte der fraglichen Anrufe – jeder Notruf wird aufgezeichnet – seien bereits ausgewertet worden.

Wie die Einsatzleitstelle arbeitet, war von der Polizei am Freitag trotz mehrfacher Nachfrage nicht zu erfahren. Bei der Feuerwehr sitzen nach Auskunft von deren Sprecher Jens-Peter Wilke tagsüber bis zu zwölf und nachts fünf bis sechs Kollegen in der Zentrale in Siemensstadt. Aus den rund 3500 Anrufen, die pro Tag unter der Notrufnummer 112 eingehen, ergäben sich etwa 1000 Einsätze. 80 Prozent seien medizinische Notfälle, der Rest erfordere meist technische Hilfe. Brände machten nur drei Prozent aus. Hinzu komme eine Reihe sinnloser Notrufe. Anhand einer Abfragemaske auf ihren Computern sammelten die Mitarbeiter möglichst präzise Informationen, sagt Wilke. Das sei wichtig, weil ein Laie beispielsweise mit „leblos“ oft einen Bewusstlosen meine, während das Wort im Fachjargon Tote bezeichne.

Ziel sei, die bis zu 98 verfügbaren Rettungswagen und 19 Notärzte passend zur Schwere des Falls loszuschicken. Dazu löst die Zentrale in der jeweils nächstgelegenen Wache Alarm aus. Auf dem Weg zum Auto können die Helfer sich aus dem Drucker einen Zettel mit allen Infos schnappen. Als Ziel gelte, dass Rettungswagen oder Feuerwehr bei drei Vierteln der Einsätze binnen acht Minuten ab dem Notruf eintreffen solle; im äußeren Stadtgebiet liege die Zielquote bei mindestens 50 Prozent. Die durchschnittliche Wartezeit bis unter der Nummer 112 jemand abnahm, habe im Oktober bei zwölf Sekunden gelegen. Deutlich länger könne es nach Unwettern und zu Silvester dauern.

Extra geschult sind die Feuerwehrleute nur fürs Computerprogramm, außerdem sprächen die Kollegen etwas Englisch, manche auch Türkisch, sagt Wilke. Alle hätten zuvor praktische Erfahrung gesammelt – zum Glück, wie sich erst in dieser Woche gezeigt habe: Ein neu in die Leitstelle gekommener Kollege habe die Mutter eines zwei Tage alten Babys per Telefon angeleitet, ihr Kind wiederzubeleben. Wenig später bestätigte der Notarzt, dass das Baby sonst nicht überlebt hätte.

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