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Bei einer Schießerei in der Neuköllner Emser Straße sind in der Nacht zum Freitag zwei Personen schwer verletzt worden. Die Spurensicherung untersucht am Freitagmorgen den Tatort.

© dapd

Update

Neukölln: Der Krieg der Clans alarmiert die Polizei

Nach einer Schießerei mit zwei Leichtverletzten am Donnerstag in Neukölln ist gegen einen Tatverdächtigen Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben worden. Er hatte sich am Freitagabend der Polizei gestellt.

Wenn Berlins bekanntester Intensivtäter das Gefängnis verlässt, ist es regelmäßig nur eine Frage von Wochen bis zum nächsten Polizeieinsatz. Am 19. Oktober durfte Nidal R. nach mehr als drei Jahren Haft in die Freiheit, am Abend des 11. November lag er angeschossen in der Emser Straße in Neukölln. 2004 ging es noch schneller: Nach gut vier Jahren in Haft hatte R. nur einen Tag später vor einer Diskothek ein Messer in der Hand, wenige Tage später in einem anderen Club schon wieder. In beiden Fällen wollte sich der Palästinenser so freien Eintritt verschaffen.

Oft war der 28-Jährige, der früher „Mahmoud“ genannt wurde, nicht in Freiheit in den vergangenen neun Jahren – und nun könnte es für R. ganz ernst werden. Denn schon im letzten großen Prozess gegen ihn war eine Sicherungsverwahrung im Gespräch. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft war R. im Hinblick auf eine mögliche „Gefahr für die Allgemeinheit“ psychiatrisch begutachtet worden. Sollte Nidal R. in der Emser Straße ebenfalls geschossen haben, könnte es eng werden für ihn.

18 Schüsse wurden in der Emser Straße abgegeben, die Projektile steckten in Hauswänden und Autoblechen. Die Polizei spricht von einem Schusswechsel, dennoch gilt bislang nur eine der Parteien als Beschuldigte. Am Freitagabend drang das Spezialeinsatzkommando deshalb in zwei Wohnungen der Gegenseite in der Neuköllner Silbersteinstraße und im Quellweg in Siemensstadt ein. Diese Gegenseite hat einen ähnlich klingenden Familiennamen wie R., als „Sitz“ dieses ebenfalls arabisch-libanesischen Clans nennen Ermittler die parallel zur Emser Straße verlaufende Siegfriedstraße. Festgenommen wurde bei den beiden Razzien niemand, auch Waffen wurden nicht gefunden. Wenig später, noch am Freitagabend, stellte sich jedoch ein 33-Jähriger aus diesem Clan im Beisein seines Rechtsanwalts bei der Polizei. Ein Richter erließ Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Ermittler im Landeskriminalamt nannten als Motiv für den Schusswechsel „Zahlungsstreitigkeiten“. Auch dieser libanesische Clan ist der Polizei in den vergangenen Jahren durch eine Vielzahl schwerster Straftaten aufgefallen. Schlagzeilen hatte im vergangenen Jahr der Schuss auf Abdallah A. gemacht – mitten auf dem auf dem Kurfürstendamm. Den 27-jährigen Intensivtäter rechnen Ermittler ebenfalls dem Clan R. zu.

Doch der heute 28 Jahre alte Nidal R. hat in den vergangenen acht Jahren mehr Schlagzeilen gemacht als alle anderen Clans, meist unter dem Pseudonym „Mahmoud“. Es begann 2002: Damals veröffentlichte ein leitender Kriminalbeamter die Polizeiakte des damals 20-Jährigen in einer Fachzeitschrift unter dem Titel „Konsequente Inkonsequenz“. Vor allem der Justiz wurde darin vorgeworfen, machtlos gegen junge kriminelle Araber zu sein. Zuvor hatte Polizeipräsident Dieter Glietsch einen Brandbrief an Innensenator Ehrhart Körting geschrieben, in dem „Die kriminelle Karriere des Palästinensers Nidal R.“ dargelegt wurde – verbunden ebenfalls mit Kritik an der Justiz. Denn „von 60 der Polizei bekanntgewordenen strafrechtlich relevanten Sachverhalten“ seit der Strafmündigkeit von Nidal R. seien 52 in die Zeit „von Bewährung oder Haftverschonung“ gefallen.

Auf diesen Frontalangriff reagierte die Justiz, Monate später wurde die Intensivtäterabteilung gegründet mit Nidal R. als erstem Kandidaten. Im Landeskriminalamt beschäftigte sich die Soko „Ident“ mit „Mahmoud“. Sie sollte die wahre Heimat der angeblich staatenlosen Kriminellen nachweisen. Auch Nidal R. sollte 2004 abgeschoben werden, er saß damals monatelang im Abschiebegewahrsam Grünau. Doch die Abschiebung scheiterte – wie in vielen anderen Fällen – am Widerstand des Libanon.

CDU und Deutsche Polizeigewerkschaft fordern nun ein schärferes Vorgehen gegen kriminelle arabische Clans. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Robbin Juhnke, sagte, die Familien lebten „teilweise erfolgreich nach ihren eigenen Gesetzen“. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, forderte eine „Taskforce“ aus Polizei, Justiz, Sozialämtern und Steuerfahndung, um das wirtschaftliche Treiben der Clans besser kontrollieren zu können und staatliche Transferleistungen gegebenenfalls streichen zu können.

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