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Neukölln: Kinderwagen angezündet: Familie stirbt bei Feuer

Zwei Erwachsene und ein Säugling kamen bei einem Brand in der Neuköllner Sonnenallee um. Sie wurden im Schlaf überrascht. 17 Mieter kamen mit Verletzungen ins Krankenhaus.

Der Brandstifter ließ der Familie keine Chance. Vor Morgengrauen schlich er in der Nacht zu Sonnabend in den Flur des Neuköllner Hinterhauses, legte Feuer und verschwand. Die Flammen breiteten sich rasend schnell aus, drei Menschen starben: ein zehn Tage alter Säugling und vermutlich dessen Eltern. Der Mann war mit schwersten Brandwunden aus dem Fenster im ersten Stock gesprungen und wenig später gestorben. Nach den Löscharbeiten fand die Feuerwehr in der Wohnung die Leiche eines kleinen Jungen und einer Frau – vermutlich handelt es sich um die Mutter. Die Familie stammte aus dem früheren Jugoslawien.

17 Mieter des Altbaus an der Sonnenallee 18 wurden bei dem Brand teilweise schwer verletzt und kamen mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus. Viele der überwiegend aus Bosnien und der Türkei stammenden Familien, darunter viele Kinder, mussten von der Feuerwehr mit Leitern aus den oberen Stockwerken gerettet werden. Nach Berichten von Augenzeugen spielten sich tragische Szenen ab; viele Menschen riefen in Panik am offenen Fenster um Hilfe. Drei Menschen sprangen schließlich in die rettenden Luftpolster der Feuerwehr. 

Morgens um 5.58 Uhr ging der erste Notruf bei der Feuerwehr ein, wenig später stand eine schwarze Rauchwolke über dem Haus nahe dem Hermannplatz. Ein bislang unbekannter Brandstifter hatte einen Kinderwagen angezündet, der auf einem Podest im Hochparterre stand. Dieses Mal handelt es sich offenbar nicht um eine Leichtsinnstat von Kindern oder Jugendlichen. Denn nach Einschätzung von Experten konnte sich das Feuer nur durch einen Brandbeschleuniger so schnell ausbreiten. Möglich ist, dass der Täter zuvor beispielsweise Brennspiritus verschüttet hat. Vom Podest fraßen sich die Flammen in die beiden Wohnungen im ersten Stock. Dort wurden die Mieter wohl im Schlaf überrascht. Das Feuer entwickelte eine solche Hitze, dass im Treppenhaus und in den Wohnungen im ersten Stock der Putz von den Wänden platzte.

Die Feuerwehr brachte die unverletzten Bewohner zunächst in einen Bus der BVG, wo sie betreut wurden. Auch Seelsorger waren am Ort, kümmerten sich um die unter Schock stehenden Augenzeugen. Den 60 Feuerwehrleuten gelang es, den Brand innerhalb einer Stunde unter Kontrolle zu bringen. Helfer hielten mehrere Laken aneinander, um die Bergung der Toten vor neugierigen Blicken zu schützen. Gegen Mittag erschien die Bauaufsicht des Bezirkes, um den Zustand des Hauses zu überprüfen. Da das Treppenhaus weitgehend zerstört wurde, müssen die Mieter in den nächsten Tagen voraussichtlich bei Bekannten untergebracht werden, hieß es.

Das Motiv des Täters gilt als völlig unklar. Zuletzt hatten am Mittwoch kurz nach Mitternacht in einem Treppenhaus an der Weichselstraße mehrere Kinderwagen gebrannt – nur etwa 500 Meter entfernt. Dieses Feuer konnte schnell gelöscht werden. In der Sonnenallee 18 befindet sich im zweiten Hinterhaus außerdem eine Moschee, jener Teil des Hauses ist jedoch nicht betroffen. Wie berichtet, hatte ein psychisch leicht gestörter Mann im Herbst und Winter an mehreren Moscheen Brände gelegt; er war im Januar festgenommen worden.

Unklar ist, wie der Täter in das Treppenhaus gelangt ist. In dem Altbau gibt es moderne Türen, die ins Schloss fallen. Allerdings beklagte eine Mieterin, dass die Schlösser häufig defekt seien. Mittags übernahm die 4. Mordkommission die Ermittlungen. Sie überprüft auch alle Bewohner. Denn die Erfahrung lehrt, dass Brandstifter oft im eigenen Haus zuschlagen (siehe Artikel unten). Unter den Nachbarn kursierte das Gerücht, dass ein Mieter verschwunden sei. Die Kripo ermittelte in diese Richtung. Auch Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky informierte sich in der Sonnenallee über die Tragödie. Es gebe keine Hinweise auf ein ausländerfeindliches Motiv, sagte der SPD-Politiker.

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