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Neuköllner Modell: Ersttäter schneller vor den Richter

Die so genannten besonders beschleunigten Verfahren, bei denen jugendliche Straftäter innerhalb von drei Wochen vor dem Richter stehen, soll es bald in ganz Berlin geben. Darin sind sich Polizei, Justiz, Gerichte und Jugendgerichtshilfe einig.

Von Sandra Dassler

Die sogenannten besonders beschleunigten Verfahren, bei denen jugendliche Straftäter innerhalb von drei Wochen vor dem Richter stehen, soll es bald in ganz Berlin geben. Darin sind sich Polizei, Justiz, Gerichte und Jugendgerichtshilfe einig. Bisher besteht diese Möglichkeit nur in den Polizeidirektionen 5 und 6, die für Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg sowie Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg zuständig sind. Ab Januar folgen die Direktion 1 (Reinickendorf und Pankow), im Jahresverlauf die restlichen drei Polizeidirektionen.

„Es ist gut, dass wir dann überall besonders beschleunigte Verfahren anwenden können“, sagt Amtsrichterin Kirsten Heisig. Sie war die erste, die das oft als „Neuköllner Modell“ bezeichnete Vorgehen anwandte. „Das Jugendgerichtsgesetz sah diese Möglichkeit zwar vor“, erzählt sie, „aber sie wurde nicht genutzt. Ich habe mit Polizei und Staatsanwälten im Kiez geredet, ob es nicht in Einzelfällen möglich wäre, die Verfahren zu verkürzen und 2008 einfach damit begonnen.“

Das war, so stellte sich schnell heraus, nicht nur effektiver, sondern pädagogisch sinnvoller. „Es eine Maxime jeder Erziehung, schnell auf Grenzüberschreitungen zu reagieren“, sagt der Leiter der Jugendgerichtshilfe Neukölln, Thomas Weylandt. Soll heißen: Gerade bei jungen Menschen muss die Strafe auf dem Fuß folgen und nicht erst Monate später.

„Die Jugendlichen verfügen heute über sehr schnelle Kommunikationsmöglichkeiten“, sagt Kirsten Heisig. „Die wissen genau, dass es meist ewig dauert, bis man von der Polizei befragt wird oder gar vor einem Richter steht. Umgekehrt spricht es sich auch schnell herum, wenn das anders ist.“ Immerhin sei von den 25 Jugendlichen, die in Neukölln in den schnelleren Verfahren verurteilt wurden, nur einer rückfällig geworden, sagt der Sprecher der Justizverwaltung, Bernhard Schodrowski. Insgesamt gab es bisher 125 Anträge auf schnellere Verfahren, denen 75-mal stattgegeben wurde.

Viel sei das nicht, sagt Schodrowski. Man müsse aber bedenken, dass es enge Kriterien für die Anwendung gebe – beispielsweise übereinstimmende Zeugenaussagen und klare Sachverhalte. Auch dürfe es sich nicht um schwere Taten handeln und die Straferwartung nicht mehr als vier Wochen Jugendarrest betragen.

„Für Intensivtäter eignet sich dieses Instrumentarium also nicht, wohl aber für Ersttäter“, sagt Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD): „Bei jährlich knapp 3000 Jugendgerichtsfällen in Neukölln sind 25 besonders beschleunigte Verfahren natürlich nicht viel. Es könnten aber mehr werden, wenn die Polizeibeamten, die als erste entscheiden, ob ein Schnellverfahren möglich ist, besser geschult würden.“ Buschkowsky befürwortet einen Jugendsachbearbeiter auf jedem Abschnitt. „Aber dagegen sperrt sich der Polizeipräsident, weil er dem Allzuständigkeitsprinzip frönt und möchte, dass jeder Beamte alles kann, was aber nicht möglich ist.“

Polizeipräsident Dieter Glietsch widerspricht. Es sei wichtig, dass schon bei Feststellung einer Straftat die Eignung für das besonders beschleunigte Verfahren erkannt werde, sagte er dem Tagesspiegel: „Deshalb müssen alle Mitarbeiter das Verfahren und seine Besonderheiten kennen. Darüber hinaus gibt es in jedem Abschnitt einen Kriminalbeamten als zentralen Ansprechpartner. Es bedarf daher keines Jugendbeauftragen in den Abschnitten.“ Sandra Dassler

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