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Zeugen des Raubs. Der Wachmann Roman H. (rechts) und seine Kollegen sagten am Montag im Berliner Landgericht aus.

© ddp

Pokerräuber-Prozess: "Es war der perfekte Moment"

Wachleute beschrieben im Gericht den Raub auf das Pokerturnier am Potsdamer Platz. Manche leiden bis heute unter den Folgen.

Der Praktikant dachte zunächst an einen Scherz, als er das Gebrüll im Hotel Hyatt hörte. „Blauäugig habe ich mich in die Menge gemischt“, sagte der 19-Jährige gestern vor dem Landgericht. Als der junge Mann aber die Maskierten sah, hatte er den Ernst der Lage schnell erfasst. Er wollte helfen, kassierte eine Beule und schnappte sich die Laptoptasche mit rund 449 000 Euro Beute. Einer der Pokerräuber schwitzte da gerade im Griff eines Zwei-Meter-Mannes vom Wachdienst. „Diesen Täter hatte ich mir unsanft gegriffen“, sagte der 36-Jährige.

Nach den Geständnissen von Vedat S., Ahmad El-A., Jihad C. und Mustafa U. in der vergangenen Woche hatten nun die ersten Augenzeugen das Wort. Roman H., ein hünenhafter Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, sagte, dass es an jenem Nachmittag des 6. März eigentlich der „absolut perfekte Moment“ für einen Überfall gewesen sei. Der Tresor sei offen gewesen. „Es war gerade Geldzählaktion.“ Keiner der Wachleute habe eine Waffe getragen. Nur der Chef sei bewaffnet gewesen. Der aber fehlte. Ein Verkehrsunfall hielt ihn auf.

Gegen 14 Uhr hatten die vier Angeklagten im Alter zwischen 19 und 21 Jahren das Pokerturnier im Luxushotel Hyatt am Potsdamer Platz überfallen. Schreiend stürmten sie Richtung Tresor – vor laufender Überwachungskamera und hunderten Zeugen. Vedat S. nannte in ersten Vernehmungen den Namen des 29-jährigen Onkels von Jihad C. Ermittler gehen davon aus, dass Ibrahim El-M. das Quartett instruierte. Als weiterer Drahtzieher gilt Mohammed Abou-C., ein 31-jähriger Deutsch-Araber. „Momo“ soll an dem Turnier teilgenommen und das Signal zum Losschlagen gegeben haben.

„Ich wurde mit einer Machete bedroht, zu Boden gebracht, getreten“, sagte ein 30-jähriger Wachmann. Vier bis sechs Tritte in den Rücken habe er gespürt. Den Blitzüberfall bekomme er bis heute nicht aus dem Kopf. „Nachts wache ich auf.“ Als Security-Mann könne er bis heute nicht arbeiten. „Das geht gar nicht.“ Kritik hätten er und seine Kollegen nach dem Raub nicht gehört. „Ich denke, wir haben unseren Job sehr gut gemacht.“ Auch mit „Momo“ hatte er an jenem Nachmittag Kontakt. Drei bis fünf Minuten nach dem spektakulären Überfall habe der Deutsch-Araber hinter ihm gestanden und gefragt: „Was ist los?“ Ob der Mann ein Telefon hatte? „Der hatte immer ein Handy in der Hand“, erklärte der Zeuge. Woher er die Familie Abou-C. kenne? „Vom Hörensagen“, sagte der Zeuge. Er fühle sich bis heute nicht wohl in seiner Haut.

Die vorbestraften Räuber konnten mit 242 000 Euro fliehen, die sie in Hosen- und Jackentaschen gestopft hatten. 449 000 aber blieben im Handgemenge mit Wachleuten zurück. Die Beute teilten sie in einer Tiefgarage. 40 000 Euro bekam laut Anklage jeder der Angeklagten. Doch bis auf 4000 Euro ist die Beute bis heute verschwunden. Die Räuber aber hatten so viele Spuren hinterlassen, dass sie bald in Haft saßen. Wenn es um die Beute geht, sind die Angeklagten nach wie vor einsilbig. Ähnlich ist es, wenn es um Hintermänner geht. Schweigend hörten sie nun die Opfer, die Prellungen oder Kratzer erlitten hatten. Als der 19-jährige Praktikant von dem Dankeschön des Veranstalters berichtete, das er für seinen Einsatz erhielt, könnte so etwas wie Neid aufgekommen sein: eine Reise nach Las Vegas. Kerstin Gehrke

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