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„Halt den Wagen auf, sonst wirst du deine Frau nie mehr sehen“, soll ihm eine Frauenstimme zugeraunt haben. Dann schoss der 26-jährige Mehmet Y. auf das Auto, in dem die Familie seiner Exfrau saß.

© dapd

Prozess gegen Weddinger Doppelmörder: Verteidigung plädiert auf Schuldunfähigkeit

Der Weddinger Todesschütze Mehmet Y. will nicht ins Gefängnis. Ein Gutachter der Verteidigung diagnostizierte dem 26-Jährigen eine schwere Wahnkrankheit. Ist der Angeklagte psychisch gestört – oder simuliert er?

Mehmet Y. zeterte und fluchte. Der Weddinger Todesschütze trommelte mit den Fäusten gegen die Scheibe aus Panzerglas. Wie so oft fühlte er sich ungerecht behandelt. Er hatte vor genau einem Jahr mit einer Pistole auf ein Auto gefeuert, in dem seine Exfrau Feride und ihre Familie saßen. Zwölf Kugeln. Ihre Mutter und ihre 22-jährige Schwester starben. Y. aber will nicht der kaltblütige Mörder sein, für den ihn die Anklägerin hält. Jetzt lehnte er einen Psychiater ab, der ihm volle Schuldfähigkeit attestiert hat.

Ist der 26-Jährige psychisch stark gestört – oder simuliert er? Ein Gutachter, den das Gericht beauftragt hatte, stellte zwar eine paranoide Persönlichkeitsstörung fest. Doch aus Sicht von Norbert Konrad hatte diese keine Auswirkung auf die Tat. Das Verteidiger-Trio reagierte mit einem zweiten Gutachter. Gegenüber Karl Kreutzberg berichtete Mehmet Y. von einem „Waschzwang“ und einem „tiefen Bedrohungsgefühl“. Auch von einer Frauenstimme habe Y. gesprochen, die ihm zuraunte: „Halt den Wagen auf, sonst wirst du deine Frau nie mehr sehen.“ Die weibliche Stimme war neu. Ist sie Wahrheit oder Lüge? Für Kreutzberg ist Y. wahnkrank und damit schuldunfähig.

Das Entsetzen über die Tat war groß. Am Vormittag des 4. August 2011 stand Mehmet Y. plötzlich am Wagen, in dem fünf Personen saßen. Er war seit drei Monaten geschieden. Nach einer gerichtlichen Verfügung durfte er sich seiner Exfrau nicht nähern. Immer wieder hatte er dagegen verstoßen. „Als wir zum Auto in der Kolberger Straße gingen, sahen wir uns noch um“, erinnerte sich seine Exfrau. Der Kurde mit türkischem Pass habe aus „Rache, Hass, Eifersucht und Verärgerung wegen des Verlustes seines Aufenthaltsstatus“ gehandelt, heißt es in der Anklage. „Ich hatte das Gefühl, er wollte uns alle töten“, sagte Feride C.

Seit April sitzt Mehmet Y. auf der Anklagebank. Er gab vor dem Landgericht die Schüsse auch zu, bestritt aber eine Tötungsabsicht. Ende Juni schien ein Urteil in Sicht. Mit unglaublicher Kaltblütigkeit habe Y. das Leben einer Familie zerstört, sagte die Anklägerin im Plädoyer. Aus der Liebe zu der Frau sei grenzenloser Hass geworden. Sie forderte wegen zweifachen Mordes sowie Mordversuchs in drei Fällen lebenslange Haft. Zudem beantragte sie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Damit wäre eine Freilassung nach 15 Jahren auf Bewährung ausgeschlossen.

Doch Mehmet Y. will nicht ins Gefängnis. In einem sechsstündigen Monolog bis in den Abend hinein hatte er gejammert. Voller Selbstmitleid sprach er über das „was ich alles erleben musste“, über Potenzschwierigkeiten, seine große Liebe. Die Verteidigung strebt die Unterbringung in der Gerichtspsychiatrie an. So hatte es der von ihnen eingeschaltete Experte Karl Kreutzberg empfohlen. Gutachter Konrad setzte sich mit dessen Ergebnissen auseinander – und blieb bei seiner eigenen Empfehlung. Es gehe ihm „nur noch um die Verteidigung seiner Diagnose“, konterten die Anwälte und lehnten ihn ab. Am 14. August geht die Verhandlung weiter.

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