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Prozess um U-Bahnschläger: Anklage: Torben P. sagt nicht die Wahrheit

Im Prozess um die Schläger vom U-Bahnhof Friedrichstraße fordert die Staatsanwaltschaft vier Jahre Haft. Die Verteidigung beantragt eine Bewährungsstrafe.

Selten in einem Strafprozess ist die Tat so gut geklärt und dokumentiert wie in diesem. „Die Beweislage hebt sich wohltuend von anderen Verfahren ab“, sagt Staatsanwältin Katrin Faust zum Auftakt des gut zweistündigen Plädoyers der Ankläger am Donnerstag im Moabiter Kriminalgericht. „Die Kamera erinnert unbestechlich an das Geschehen.“

Es waren mehrere Kameras, die den nächtlichen Auftritt von Torben P. und dem mitangeklagten Nico A. in der Nacht zum Karsamstag einfingen. Berauscht vom Alkohol und sich selbst, produzierten sich die Männer vor dem Bahnsteigpublikum. Torben P. sprang hoch zur Anzeigetafel, ließ sich zum Gleisbett herab, bevor es zum Streit mit dem 30-jährigen Markus P. kam. „Jugendtypisches, großmännisches Imponiergehabe“, sagt Faust.

Der Geschädigte, auch er betrunken, habe auf einer Bahnsteigbank nur seine Ruhe haben wollen. „Pöbeln und Streit, das hatten sich die beiden auf die Fahne geschrieben.“ Markus P. habe dann zwar als Erster „körperlich reagiert“, doch das, sagt Faust, „war absolut berechtigt“.

Dieser Streit, der Grad der Alkoholisierung, die vorgeblichen Erinnerungslücken und das Motiv seien in der sechstägigen Hauptverhandlung noch zu klären gewesen, ansonsten „stand die Wahrheit fest“. Folgt man den Anklägern, hat die Beweisaufnahme die Lage des Täters nicht verbessert. Seine Aussagen zum Alkoholkonsum seien nicht glaubhaft; stimmte, was er getrunken haben wollte, „läge er jetzt im Leichenschauhaus“.

Im Gegenteil, die Videoaufnahmen zeigten einen jungen Mann, der noch kontrolliert reagiert hätte. So halten die Ankläger auch die Erinnerungslücken für vorgeschoben. Torben P. habe detaillierte Auskünfte geliefert, auch unmittelbar nach der Tat, auch gegenüber der Polizei. „Er hatte die Fähigkeit zu zielgerichtetem und strategischem Handeln“. Die Bilder der Tat sprächen eine klare Sprache. Markus P. sei „mit einem absoluten K.O.-Schlag regelrecht gefällt“ worden. Bei den Tritten danach seien ihm die lebensgefährlichen Folgen mindestens gleichgültig gewesen. „Er hat sich entschieden, er wollte den Kopf treffen, stampfend, und er musste gestoppt werden, sonst hätte er nicht aufgehört“, sagt Faust. Hätte nicht der Zeuge Georg Baur eingegriffen, Markus P. wäre womöglich gestorben. Die Tritte, „blanke Aggression“.

Oberstaatsanwalt Rudolf Hausmann übernimmt die Strafzumessung. Auch er kommt über den Eindruck aus den Bildern nicht hinweg. Die Tritte, dann ein triumphales Tänzeln wie das eines Kampfsportlers. Hausmann zitiert in seinem Plädoyer einen Zeitungsartikel, wonach es scheine, als fühle sich der junge Mann in dieser furchterregenden Szene von Kraft und seltener Großartigkeit durchströmt. „Das trifft es sehr gut, auch wenn es nichts, aber auch gar nichts mit einem sportlichen Wettkampf zu tun hatte“. Torben P. habe „skrupellos“ agiert, er betrachte stets sich selbst als Opfer. „Wir bedauern es, dass Sie nicht die Kraft gefunden haben, zu Ihrer Tat zu stehen“, sagt Hausmann und fordert vier Jahre Haft.

Die Verteidiger, Alexander Sättele und Boris Hube, rufen in ihrem Plädoyer erneut Szenen des Tatvideos in Erinnerung. „Ich interpretiere einige Szenen anders als die Staatsanwaltschaft“, sagte Sättele. Er wolle Markus P. keine Mitschuld geben, macht aber deutlich, dass dieser den Angeklagten zuerst angefasst und nicht mehr losgelassen habe, bis dieser mit einer teilweise gefüllten Hartplastikflasche zuschlug. Der Schlag sei in keiner Weise zu rechtfertigen, doch sei es „nicht völlig abwegig“, dass sein Mandant in diesem Moment Furcht empfunden hätte, wie er es dem Gericht geschildert hatte. Torben P. sei „kein Prügler, kein Treter, schon gar kein Hass-Treter“, als den ihn die Boulevardpresse bezeichnet. Der schwere Alkoholrausch habe zur Situationsverkennung und zu Angstzuständen geführt.

Das Geständnis von Torben P. sei kein „kalkuliertes Verhalten“ gewesen, sagt Anwalt Hube, er habe versucht sich zu entschuldigen, mit der Jugendgerichtshilfe kooperiert und sei seinen Haftverschonungsauflagen nachgekommen. Zu berücksichtigen seien auch die scharfen Angriffe der Presse, Hube sprach von „übelster Diffamierung“. „Die Folgen sind fatal“, die Familie habe umziehen müssen. Nun versuche sich Torben P. eine neue Perspektive aufzubauen, habe einen Schulplatz und lasse sich therapieren. In der Haft sei er jedoch selbstmordgefährdet. Deshalb beantragt die Verteidigung eine Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren auf Bewährung. Der Anwalt von Nico A. verzichtet auf einen Strafantrag. Er kritisiert Dramatisierungen durch die Staatsanwaltschaft. In seinem letzten Wort spricht Torben P. vom Opfer, seiner Familie und von Nico A. den er mit hineingezogen habe. „Ich sehe mich nicht als Opfer. Ich bin der Täter. Keiner will ins Gefängnis, ich auch nicht. Ich will alles tun, was nötig ist, damit so etwas nie wieder passiert.“ Das Urteil wird am 19. September erwartet.

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