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Moessinger

© ddp

Prozessauftakt: Frühere Tempodrom-Chefin steht vor Gericht

Vor dem Landgericht Berlin hat heute der letzte Akt der Tempodrom-Affäre begonnen. Irene Moessinger und Norbert Wahl müssen sich für die Veruntreuung von insgesamt rund 100.000 Euro vor Gericht verantworten. Ursprünglich ging es um Millionen.

Die ehemalige Tempodrom-Chefin Irene Moessinger und ihr damaliger Geschäftsführer Norbert Waehl stehen seit heute vor Gericht. Beim Auftakt vor dem Berliner Landgericht verwiesen ihre Anwälte in einer gemeinsamen Erklärung darauf, dass Moessinger und Waehl "keinen Cent" mehr bekommen hätten, als der Stiftungsrat ihnen zugesprochen habe. Die beiden Angeklagten wiesen die Untreue-Vorwürfe als "lebensfremd" zurück.

Ihnen wird vorgeworfen, sich entgegen den Vorgaben des Stiftungsrats im Jahr 2001 unangemessen hohe Gehälter ausgezahlt zu haben. Sie sollen jeweils 42.000 Euro zu viel kassiert haben. Zudem seien Rechnungen über 17.300 Euro von der Stiftung "Neues Tempodrom" beglichen worden, obwohl die Betreibergesellschaften von den Leistungen profitierten.

"Sie haben nur das erhalten, was ihnen zustand"

Die Angeklagten hätten das unternehmerische Risiko für den Neubau des Tempodroms am Anhalter Bahnhof in Kreuzberg getragen und persönlich mit jeweils 1,8 Millionen DM dafür gebürgt, betonte die Verteidigung. "Weniger Gewinnstreben", sondern "Enthusiasmus" habe ihr Handeln geprägt. "Sie haben nur das erhalten, was ihnen zustand", sagten die Anwälte. Die laut Anklage zu viel gezahlten Gelder seien "vertraglich vereinbarte Nachzahlungen" gewesen, weil die beiden Angeklagten von 1995 bis 1998 keine Vergütung erhalten hätten. Auch die Zahlung der Rechnungen sei mit Zustimmung des Stiftungsrats erfolgt und sei "betriebsübergreifend" zu werten.

Es sei problematisch, dass die Angeklagten nicht nur Vorstandsmitglieder der Stiftung, sondern auch Verantwortliche der Betreibergesellschaften waren, sagte Oberstaatsanwalt Frank Thiel. "Hier haben Betreibergesellschaften Vorteile genossen, aber der Steuerzahler bezahlt". Diese Konstellation sei ein "verbotenes In-sich-Geschäft", bei dem sich Interessen zum Nachteil der öffentlich finanzierten Stiftung vermischt hätten.

Anklage ist "Abfallprodukt" der Ermittlungen

Den Anklagevorwurf gegen Moessinger und Waehl sieht auch die Staatsanwaltschaft als "Abfallprodukt" der Ermittlungen. Das Gericht hatte zu Prozessbeginn deutlich gemacht, dass die Vorwürfe mit der Tempodrom-Affäre "nur noch mittelbar" zu tun hätten. Der Vorwurf des Subventionsbetrugs zulasten der Landesbank Berlin war bereits zuvor eingestellt worden, weil es "rechtliche Bedenken am strafbaren Verhalten" gab. Der Richter sagte, dass "von politischer Seite, vor allem vom damaligen Bausenator Peter Strieder, eine Förderung des Bauvorhabens um jeden Preis und jenseits des rechtlichen Rahmens durchgesetzt werden sollte". Eine Steigerung der Baukosten sei mittlerweile "eher Regel als Ausnahme. Die Baukosten für das Ende 2001 eröffnete Tempodrom hatten sich auf rund 34 Millionen Euro verdoppelt.

Das Kulturzentrum wurde überwiegend mit öffentlichen Geldern finanziert. Wegen der zweifelhaften Finanzspritzen des Landes in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro waren Strieder und Finanzsenator Thilo Sarazin (beide SPD) 2004 in den Verdacht der Untreue geraten. Da kein hinreichender Tatverdacht bestand, wurde die Anklage vom Gericht jedoch nicht zugelassen. In Folge der Tempodrom-Affäre war Strieder im April 2004 als Senator und SPD-Landeschef zurückgetreten. Am kommenden Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.

Baldiger Verkauf des Tempodroms

Unterdessen kündigte Insolvenzverwalter Udo Feser den baldigen Verkauf des Tempodroms an. Er rechne mit konkreten Anfragen im Laufe des nächsten halben Jahres, sagte Feser. Notwendig sei zunächst ein europaweites Ausschreibungsverfahren. Zum Wert der Immobilie wollte er sich nicht äußern, betonte aber, dass er an den Meistbietenden verkaufen müsse. (tsf/ddp)

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