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Prozessbeginn: Letzter Akt in der Tempodrom-Affäre

Ab Mittwoch muss sich Gründerin Irene Moessinger vorm Landgericht wegen Untreue verantworten. Von dem Skandal ist strafrechtlich gesehen wenig übrig geblieben.

Am Mittwoch wird das letzte Kapitel in der Tempodrom-Affäre aufgeschlagen – vor dem Berliner Landgericht. Als Einzige, die in diese Skandalgeschichte involviert waren, müssen sich die Gründerin des Kulturzelts Irene Moessinger und ihr Geschäftspartner Norbert Waehl vor Gericht verantworten. Die Anklagen gegen den ehemaligen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD) hat die Staatsanwaltschaft fallen lassen.

Doch wenn Moessinger, die vor rund 28 Jahren das Kulturprojekt gründete, und Waehl von Mittwoch an auf der Anklagebank sitzen, wird es nicht um die millionenschwere Kostenexplosion beim Bau des Tempodroms am Anhalter Bahnhof gehen. Von dem Skandal ist strafrechtlich gesehen wenig übrig geblieben. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob sich die Angeklagten im Jahr 2001 zu hohe Gehälter genehmigten.

„Die Berechnungen der Staatsanwaltschaft sind jedoch völlig falsch“, sagt Moessingers Anwalt Peter Zuriel. Er bereitet eine Erklärung für den Prozessauftakt vor, in dem er die Zahlungen erstens als rechtmäßig, zweitens als angemessen und drittens als vergleichsweise üblichen Salär für diesen Job vertreten will.

Knapp 100 Seiten umfasst die Anklageschrift, doch sie ist bereits reduziert worden. Der Vorwurf des Subventionsbetruges gegen die 58-Jährige ist nach Angaben der Justiz vorläufig eingestellt worden. Die zuständige Strafkammer habe in ihrem Eröffnungsbeschluss auch entschieden, den Vorwurf der schweren Untreue fallen zu lassen, hieß es. Bislang sind lediglich drei Verhandlungstage anberaumt worden.

Es bleibt mutmaßliche Untreue. Irene Moessinger und Waehl hätten in ihrer Funktion als Vorstände der Stiftung „Neues Tempodrom“ im Jahr 2001 monatlich „vorsätzlich zu Unrecht eine unangemessene Vergütung“ bezogen, heißt es in der Anklage. Von Januar bis Juni hätten sie sich jeweils 25 000 Mark, für die folgenden sechs Monate jeweils 21 000 Mark genehmigt. „Dabei war ihnen bekannt, dass sie keinen Anspruch in dieser Höhe hatten“, heißt es weiter, „weil der dafür zuständige Stiftungsrat durch seinen Beschluss vom 16. Februar 1999 nur eine monatliche Vergütung in Höhe von 16 000 Mark gebilligt hatte.“ Zudem sollen die beiden Angeklagten Leistungen in Höhe von insgesamt 26 000 Mark beglichen haben, die von Betreibergesellschaften hätten bezahlt werden müssen.

Das Jahr 2001 war jenes, in dem der Tempodrom-Neubau am Anhalter Bahnhof fertiggestellt wurde. Die Baukosten beliefen sich auf rund 33 Millionen Euro. Dabei wollte Irene Moessinger ursprünglich für rund 16 Millionen Euro einen Kulturbau errichten lassen. Nach Umplanungen aber wurde jenes markante Zackendachgebäude daraus, das mehr als doppelt so viel verschlang. Die Summe kam fast vollständig aus öffentlichen Quellen – Senatszuschüssen oder Sponsoringzahlungen der landeseigenen Investitionsbank. Das Haus blieb trotzdem defizitär und ging 2002 in die Insolvenz. Inzwischen läuft der Kulturbetrieb nicht mehr unter der Regie von Moessinger, und das Land, faktisch Eigentümer der überschuldeten Immobilie, sucht einen Käufer.

Die Affäre beendete die Ära Moessinger. Im Sommer 2005 musste sie sich die gelernte Krankenschwester, die das Kulturprojekt mit einer Erbschaft in einem Zirkuszelt im Tiergarten gegründet hatte, aus dem Geschäft zurückziehen. Bereits im Jahr zuvor hatte der Skandal Peter Strieder seine Ämter als Senator und Landesvorsitzender der SPD gekostet. Er war jahrelang ein großer politischer Förderer des Tempodroms – erst als Kreuzberger Bürgermeister, dann als Stadtentwicklungssenator.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der Tempodrom-Affäre auch Strieder und Sarrazin (SPD) im Visier. Ihnen wurde Untreue vorgeworfen, da sie die Landeszuschüsse für den Veranstaltungsbau über die Investitionsbank Berlin (IBB) am Parlament vorbei genehmigt hätten. Das Landgericht lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens jedoch ab, da dem Land Berlin letztlich kein finanzieller Schaden entstanden sei.

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