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Die angeklagten Kadir P. und Kadim Ü. schweigen vor Gericht.

© dapd

Rocker vor Gericht: Zeugen bleiben dem Prozess aus Angst fern

Ein Ex-Bandidos-Mitglied sitzt wegen versuchten Totschlags auf der Anklagebank. Seine Verteidiger argwöhnen, dass das Verfahren aus politischen Gründen "eine Stufe zu hoch angesiedelt" worden sei.

Der kahlköpfige Rocker hatte seine Lederkutte zu Hause gelassen, als er wieder einmal auf der Anklagebank saß. Kadir P. ist in der Szene bestens bekannt. Der 27-Jährige war erst bei den Bandidos, dann wechselte er spektakulär mit etwa 70 weiteren Mitgliedern des Chapters „El Centro“ zu den konkurrierenden Hells Angels über. Jetzt steht P. wegen mehrerer Angriffe vor Gericht, die laut Anklage in seine Bandido-Zeit fielen.

Die Verhandlung über die Fälle aus dem Jahr 2007 hatte noch nicht begonnen, als eine erneute Straftat in Zusammenhang mit der Rockerszene bekannt wurde: In der Nacht zu Freitag wurden auf ein Vereinsheim der Bandidos Schüsse abgefeuert. Gegen 23.30 Uhr sah ein Zeuge zwei schwarz gekleidete Personen in der Quickbornstraße in Reinickendorf. Mehrere Schüsse fielen. Ein Fenster und das Vereinsschild wurden beschädigt. Verletzte gab es nicht.

Kadir P. richtete sein schwarzes Hemd und lächelte, als die Staatsanwältin die Anklage verlas. Er soll am 11. August 2007 vor einer Diskothek in Schöneberg über eine Absperrung gesprungen und einen Türsteher attackiert haben. Erst durch einen Faustschlag, dann mit einem Messer. In Richtung Hals habe P. gezielt, „um ihn zu töten“, heißt es in der Anklage. Nur weil der Türsteher seinen Kopf reflexartig zurückzog, sei der Angriff fehlgeschlagen. Ein Mitangeklagter soll damals zwei Sockel für Verkehrsschilder umhergeschleudert haben. Eine Zeugin sei am Schienbein getroffen worden.

Zwei Tage vor der Auseinandersetzung soll P. ein Mitglied der Hells Angels vor dessen Wohnhaus in Mitte angegriffen und mit drei Stichen in den Oberschenkel verletzt haben. Außerdem habe er dem Gegner die Motorradkutte mit den Insignien der Angels geraubt. Und schließlich soll der kräftige P. in einem Schnellrestaurant einen Mann geschlagen und mit einer Machete in der Hand verfolgt haben.

Rocker reden selten vor Gericht. Auch Kadir P. und der Mitangeklagte Kadim Ü. schwiegen am Freitag. Mehrere Zeugen fehlten zunächst. Einer hatte ein ärztliches Attest geschickt. Und er teilte mit, dass er Angst habe zu kommen. Vor Monaten sei er angesprochen worden. Man habe ihn darauf hingewiesen, dass er im Falle eines Prozesses wohl wisse, was er zu tun habe. Bei dem Zeugen handelt es sich um eines der mutmaßlichen Opfer.

Die Verteidiger sparten am Rande des Prozesses nicht mit Kritik. Das Verfahren sei möglicherweise aus politischen Gründen „eine Stufe zu hoch angesiedelt“ worden. Der Prozess wird am kommenden Freitag fortgesetzt.

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