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Steueraffäre: Berliner Anwälte zeigen Regierung und BND an

Im Skandal um Steuerhinterziehungen erheben zwei Anwälte einen schweren Vorwurf gegen die Regierung: Sie habe mit einem Straftäter zusammengearbeitet. Die Juristen gehen aber noch weiter.

Zwei Berliner Anwälte haben nach Informationen von "Welt Online" Strafanzeige gegen die Bundesregierung und den Bundesnachrichtendienst (BND) erstattet. Sie werfen der Bundesregierung und dem BND im Zusammenhang mit dem Steuerskandal Untreue und die Anstiftung zur Ausspähung von Daten vor, wie die Zeitung am Dienstag in ihrer Onlineausgabe berichtete.

Nach Ansicht der Juristen ist die DVD mit Daten zu etwa 1000 mutmaßlichen Steuersündern in Liechtenstein, für die der BND einem Informanten rund fünf Millionen Euro bezahlt hatte, womöglich nicht strafrechtlich verwertbar. "Es ist in der Geschichte der Bundesrepublik ein wohl einmaliger Vorgang, dass sich die Regierung mit einem Straftäter zusammentut, um über 1000 der eigenen Bürger verfolgen zu können", sagte der Berliner Strafverteidiger Ferdinand von Schirach "Welt Online".

Zusammen mit einem Kollegen verfasste er die Klageschrift, die am Dienstagmorgen der Staatsanwaltschaft in Berlin übermittelt worden sei und "Welt Online" vorliegt. "Ich denke, dass sehr gute Aussichten bestehen, dass zumindest das Bundesverfassungsgericht sagen wird, dass der Staat nie so handeln darf. Dann wäre die DVD wertlos", sagte Schirach.

Weitere Anzeigen bei Staatsanwaltschaft eingetroffen

Bei der Berliner Staatsanwaltschaft sind inzwischen darüber hinaus weitere Anzeigen gegen die Bundesregierung und den BND wegen der Steueraffäre eingegangen. Nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft werfen die ihr zugegangenen Anzeigen der Bundesregierung und dem BND im Zusammenhang mit dem Steuerskandal ebenfalls Untreue und Anstiftung zu einer strafbaren Handlung vor. Über genaue Anzahl und Absender konnte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, in deren Zuständigkeit Anzeigen gegen die Bundesregierung fallen, keine Angaben machen.

In Berlin hat es bisher keine Durchsuchungen bei mutmaßlichen Steuersündern gegeben. Dies teilte die Sprecherin der Finanzverwaltung, Kristina Tschenett, mit. Seit dem Bekanntwerden der Steueraffäre habe es auch keine Selbstanzeigen gegeben, um möglichen Haftstrafen zu entgehen. Der Zeitpunkt der Razzien ist laut Tschenett derzeit unklar, weil die Staatsanwaltschaft Bochum in dem Verfahren federführend sei. In der Hauptstadt liefen derzeit Ermittlungen. Die Zahl der Fälle bewege sich im zweistelligen Bereich.

Kritik an personeller Unterbesetzung

Der Berliner Landesverband der Steuergewerkschaft sowie Oppositionspolitiker kritisierten personelle Einsparungen bei der Berliner Steuerfahndung. Nach Darstellung des Landesvorsitzenden der Steuergewerkschaft, Detlef Dames, verzichtet der Berliner Senat durch Einsparungen in der Finanzverwaltung "sehenden Auges" auf "Hunderte Millionen" Euro Steuergelder. Berlin leiste sich gemessen an der Personalbedarfsrechnung eine Unterbesetzung der Finanzämter und dem Amt für Steuerfahndung von zehn Prozent, sagte Dames. "Dabei amortisiert sich jeder, der bei uns eingestellt wird", fügte er hinzu. Nach Hochrechnungen erlöst ein Betriebsprüfer mindestens 180.000 Euro pro Jahr und kostet die öffentliche Hand 50.000 Euro.

Dames kritisierte zudem, dass in Berlin auf Personalbedarf in der Steuerfahndung stets zu spät reagiert werde. So müsse bei der Einstellung qualifizierter Steuerfahnder stets eine Vorlaufzeit von sechs bis acht Jahren eingeplant werden. So lange dauere es, bis ein Steuerexperte die notwendige Erfahrung gesammelt habe.

CDU-Finanzexperte Uwe Goetze berief sich mit seiner Kritik auf den Bundesrechnungshof, der bei den Finanzbehörden "ein krasses Defizit" festgestellt habe. Allein für das Jahr 2007 habe der Senat eine Reduzierung um 105 Stellen vorgegeben. Goetze verwies auf das erfolgreiche Konzept der niedersächsischen Steueraufsicht. Dort sei auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes die Steueraufsicht zu einer zentralen Organisationseinheit zentralisiert und technisch und personell gut ausgestattet worden. (imo/ddp)

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