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Schirach

© ddp

Steueraffäre: Ein Anwalt im Streit ums Prinzip

Erst durch die geheimen Daten, die ein Informant dem BND zugespielt hat, kam der womöglich Deutschlands größter Skandal um Steuerhinterziehung ans Licht. Nun wird gestritten, ob der Kauf der DVD rechtens war. Anwalt Ferdinand von Schirach hat den BND deswegen angezeigt.

Notorisch streitlustig muss einer wohl sein, wenn er als Jurist vor allem in Strafverfahren für seine Mandanten kämpft. Ferdinand von Schirach schreibt auf der in kühlem Schwarzweiß gehaltenen Internetseite seiner Kanzlei, er sei „ausschließlich auf dem Gebiet des Strafrechts tätig“. Der Bundesnachrichtendienst hat, davon ist er überzeugt, mit dem Ankauf der berüchtigten Steuersünder-Daten-DVD aus Liechtenstein eine Straftat begangen. Von Schirach, Mitte 40, ein Enkel des NS-Reichsjugendführers, hat deshalb Strafanzeige erstattet. Der Kauf des Materials sei ein besonders schwerer Fall von Untreue und des Ausspähens von Daten. Persönliche Interessen habe er dabei nicht: Von Schirach verteidigt zwar auch Wirtschaftsstraftäter – doch im aktuellen Steuerfall habe er alle Mandate abgelehnt, sagt er.

Der Berliner Anwalt ist in Gefilden unterwegs, in denen sich – nicht allein unter Rechtswissenschaftlern – Ruhm erwerben lässt. Oder eher nicht? Derzeit dürfte, das vermutet er selbst, die Stimmung im Land pro BND sein. Eine kleine Straftat, um große Steuersünder eiskalt zu erwischen – wer sollte da etwas gegen haben? Eine kleine Millionen-Investition, um Dutzende oder hunderte Millionen in die Landeskassen zu spülen – so kann man doch rechnen. Von Schirach geht es um etwas anderes: Ein Staat, sagt er, in dem es üblich wird, dass den Medien Durchsuchungsaktionen angekündigt werden, um Druck zu machen – wie offenbar im Fall Klaus Zumwinkel – verhalte sich „ziemlich pervers“,wenn er ein Rechtsstaat sein wolle. Er habe weder Sympathien für Zumwinkel noch Antipathien gegen ihn. Doch fand er das Polit-Geschrei nach der Durchsuchung von Zumwinkels Haus so ärgerlich, dass er sich den Vorgang als Jurist vornahm. Was seien das für Politiker, fragt von Schirach, die Richtern und Staatsanwälten vorschreiben wollten, „Deals“ dürfe es nicht geben?

Denen, die sich im Netz mit seinem Wirken und seiner Person befassen, will er schon zur Begrüßung etwas klarmachen: Seine Sache sind nicht die anwaltlichen Beratertätigkeiten, die auf dem Papier und in Besprechungszimmern bei Thermoskannenkaffee stattfinden und viel Geld abwerfen. Von Schirach will Verteidiger im Strafverfahren sein, weil es darin nach den Worten des Strafverteidigers Max Alsberg um die prinzipielle und allgemeine Problematik der Wahrheits- und Rechtsfindung gehe.

Mit der Anzeige gegen den BND geht es ihm im Prinzip um die Unschuldsvermutung: die gelte auch für Zumwinkel. Er findet „bedenklich, was daraus geworden ist“. Dass er mit alldem etwas unzeitgemäß erscheint in dem brodelnden Stimmungsmeer aus Sozialneid und Groll auf die Abzocker, dürfte ihm gefallen. Anwaltlich eingetreten war von Schirach auch für den „Präsidenten“ Mahmoud Al-Z., als dieser vor seinem Prozess wegen Drogenhandels ungebührlich lang in Untersuchungshaft saß. Auch als von Schirach das Mandat von Günter Schabowski annahm, war noch nicht absehbar, dass der Mann, der die Mauer öffnete, als einziger DDR- Repräsentant zu Reue in der Lage war. Solche Wahrheiten fördern nur Strafprozesse zu Tage. wvb.

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