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Streit um Lärm: Rentner wegen Schüssen auf Nachbar vor Gericht

„Lieber zehn Jahre ins Gefängnis als weiter mit dem zu leben“ - ein Lärmstreit unter Nachbarn eskalierte und endete im Kugelhagel. Jetzt steht ein 58-jähriger wegen versuchten Totschlags vor Gericht.

Der Angriff des Rentners begann im Treppenhaus und setzte sich auf der Straße fort. Immer wieder drückte Hans-Jürgen B. ab. Sein Nachbar, bereits lebensgefährlich verletzt, konnte ein Auto stoppen. Matthias S. warf sich in den Saab. „Fahren Sie los, da schießt einer“, rief er. Schütze Hans-Jürgen B. stand mit der Pistole in der Hand auf der Straße. Im Kugelhagel kam das Fahrzeug nur noch 60 Meter weit. Es war das Ende eines Streits unter Nachbarn. Ein halbes Jahr später steht der Schütze ab Montag vor Gericht.

Elf Jahre hatte Hans-Jürgen B., ein Rentner von 58 Jahren, ruhig in seiner Zweizimmerwohnung in dem Haus im Rummelsburger Archibaldweg gelebt. Jetzt geht es um versuchten Totschlag. Nach monatelangem Ärger griff er zornig zu einer seiner vielen Waffen. So sehen es die Ermittler, so hatte es Hans-Jürgen B. auch gegenüber Polizisten erklärt. „Lieber zehn Jahre ins Gefängnis als weiter mit dem zu leben“, soll er zu Protokoll gegeben haben. Er habe sich vor S. gefürchtet, habe viel Lärm und ständig Beleidigungen ertragen müssen. Er sei froh, dass es endlich vorbei ist.

Der Streit begann 2011, als der 32-jährige Matthias S. zu seiner damaligen Freundin zog – und mit ihm Kampfhund Joker. Vorbei war es mit der Ruhe. Mit den Mietern der gegenüberliegenden Wohnung stritt Hans-Jürgen B. ums Gebell, laute Musik, knallende Türen, angebliches Gebrüll des jungen Paares. Auch andere Mieter klagten über den Lärm, es kam zu Beschwerden bei der Hausverwaltung. Der Freundin von S. als Mieterin flatterte eine Abmahnung ins Haus.

Der Rentner und der neue Bewohner gerieten immer heftiger aneinander. Zunächst, so berichteten Zeugen, habe Hans-Jürgen B. noch versucht, eine friedliche Lösung zu finden. Einmal habe er geklingelt und S. sogar Kopfhörer angeboten. Der Nachbar soll die Bässe zwar leiser gedreht, aber dem Rentner erklärt haben, dass dieser sich an die laute Musik schon mal gewöhnen sollte. Bis 22 Uhr dürfe er das. Zwei Wochen vor der Schießerei sollen sie sich beinahe geprügelt haben. B. beschwerte sich über Türengeknall. Eine Bekannte hatte deshalb genervt den Besuch bei ihm abgebrochen. S. soll den kräftigen B. beleidigt haben – unter anderem als „Fettbacke“.

Es war 19.10 Uhr, als Hans-Jürgen B. laut Anklage mit einer geladenen Tokarew im Hausflur stand. S. kam mit seinem Hund von der abendlichen Gassirunde. B. wartete zwischen der zweiten und dritten Etage und soll sofort abgedrückt haben. Matthias S. wurde im Unterleib getroffen. Er konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Der Fahrer des Saab und dessen 16-jährige Tochter, die plötzlich im Kugelhagel waren, erlitten schwere Schocks. Warum der Nachbarschaftsstreit an jenem Abend so dramatisch eskalierte, ist bis heute offen.Kerstin Gehrke

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