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Tatort Internet: Lehrer vor Gericht

Eine umstrittene RTL-2-Sendung entlarvte einen 52-Jährigen Lehrer als mutmaßlichen Kinderschänder. Jetzt steht Gerd K. vor Gericht - und streitet alles ab.

Der Lehrer zog sich schnell die Hose an. Es war noch nichts geschehen. Doch er war ertappt worden. Versteckte Kameras liefen mit, als er sich in einer Wohnung in Friedrichshain mit einem Jungen traf, der sich im Internet „Carlos“ nannte. Gerd K. soll geglaubt haben, dass „Carlos“ erst 13 Jahre alt ist. Die Falle schnappte zu. Der Junge war tatsächlich 18 Jahre alt und ein Lockvogel. Ein Team der RTL-2-Sendung „Tatort Internet“ hatte einen Schauspieler eingesetzt, um mögliche Kinderschänder aufzuspüren.

Eine Akte hielt sich Gerd K. vors Gesicht, als er am Dienstag den Gerichtssaal betrat. Der 52-jährige Lehrer aus Cottbus stöhnte. „Der Mensch glaubt, was er sieht.“ Er machte den Rücken rund, wippte mit einem Bein. „Ich bin tatsächlich nach Berlin gefahren, um den Mann zu treffen.“ Doch „Carlos“ habe ihm zuvor ein Bild geschickt. „Ich stellte fest, dass er keinesfalls minderjährig war“, sagte der Lehrer. „Ein junger Mann, der nicht mehr Kind war.“ Die Anklage geht von einem versuchten sexuellen Missbrauch eines Kindes aus.

Es war im Juni 2010, als Gerd K. als „RainbowGerd“ im Internet unterwegs war. Die Macher der RTL-2-Show stießen in einschlägigen Chatrooms auf ihn. „Carlos“ war eines der fiktiven Profile, mit denen potenzielle Kinderschänder angelockt und ihr mutmaßliches Treiben dokumentiert werden sollte. Die Sendung führte zu scharfen Diskussionen. Drei Kinderschutzvereine distanzierten sich deutlich von dem Format. Die Macher der Show würden manipulativ vorgehen bei der Recherche und sich „höchst fragwürdiger Methoden“ bedienen, kritisierten sie. Viele Politiker sahen das ähnlich.

„Tatort Internet“ wurde im Oktober 2010 ins Programm des Privatsenders gehoben und startete mit einer prominenten Co-Moderatorin: Stephanie zu Guttenberg, der Frau des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Ziel sei die Aufklärung über die Gefahren, die im Internet für Kinder lauern, sagte sie und bekam dabei Unterstützung vom früheren Hamburger Innensenator Udo Nagel, der die Sendung gemeinsam mit ihr moderierte. Die von Anfang an umstrittene Sendung ist mittlerweile abgesetzt.

Der Angeklagte Gerd K. atmete schwer. „Mein großer Fehler war, dass ich nicht definitiv gefragt habe, wie alt er ist“, klagte er. „Carlos“ sei es gewesen, der ein Treffen in einer Wohnung in Friedrichshain vorschlug. „Es war heiß, ich wollte baden, in dem Moment hörte ich das Geräusch von Absatzschuhen“, sagte der grauhaarige Lehrer. Es war eine Reporterin, die ihn forsch ansprach: „Was machen Sie hier? Das ist ein Kind!“

Sex-Absichten hatte der homosexuelle Lehrer. Armlange Gummihandschuhe und Kondome hatte er in seiner Tasche. Zwei Macher der Sendung sagten: „Es wurde im Chat klar von 13 Jahren gesprochen.“ Die versteckten Kameras zeichneten Szenen auf, die für den angeklagten Lehrer sehr belastend wirken. Doch die heimlichen Szenen, die laut K. unter großem Druck entstanden waren, sind als Beweismittel wohl nicht verwertbar. Gerd K. wurde nach Bekanntwerden des Vorfalls suspendiert. Der Prozess wird am 18. November fortgesetzt.

Kerstin Gehkre

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