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18-jähriger tempelhof

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Tempelhof: 18-Jähriger erhängte sich in der Polizeizelle

Ein junger Mann hat sich in seiner Zelle in Tempelhof erhängt. Er war vorübergehend wegen Randale in Gewahrsam genommen worden und wäre kurz danach frei gekommen. Seine Freunde sind zutiefst bestürzt und können sich nicht erklären, warum er sich das Leben nahm.

Weinend liegen sie sich in den Armen, sie schütteln den Kopf und blicken ins Leere. Die zwölf jungen Männer und Frauen haben sich am Freitagvormittag vor einem Wohnhaus in der Klosterstraße versammelt, um zu trauern. Hier hat ihr Freund „Jenne“ gewohnt. Jendrik T., 18 Jahre alt, hat sich in der Nacht zu Freitag im Tempelhofer Polizeigewahrsam mit seinen Schnürsenkeln erhängt. Er war in der Nacht zuvor festgenommen worden, weil er in der Umgebung randaliert hatte.

Die Freunde können nicht verstehen, warum er sich umgebracht hat. „Ein Rätsel“, sagt sein Cousin Marlo. Weder habe er Liebeskummer gehabt, noch Stress mit seinen Eltern oder Sorgen, von denen sie oder die Familie wüssten. Jendrik habe seinen Hauptschulabschluss gemacht und in einem Drogeriemarkt als Aushilfe gejobbt. „Der hatte Träume von großen Autos und einem schönen Leben“, sagt ein Kumpel.

Marlo schluchzt: „Die Bullen sind schuld.“ Die hätten ihm alle gefährlichen Gegenstände abnehmen müssen, bevor sie ihn einschließen. „Auch die Schnürsenkel“, schreit Marlo. Die Polizei hält dagegen: „Es gab keine Hinweise auf Suizidgefährdung.“ Eine Freundin nimmt Marlo in den Arm, reicht ihm einen Plastikbecher mit Wodka-Orangensaft-Mischung. Sie trinken schon seit Stunden. So wie am Tag zuvor, als alles fröhlich mit einer Geburtstagsfeier begann und so tragisch endete.

„Wir hatten uns nachmittags getroffen vor, um Alkohol zu bechern“, sagt Ilam, 23 Jahre. Was am Abend passierte, darüber wollen die jungen Männer nichts erzählen. Im Polizeiprotokoll steht, Jendrik und vier seiner Freunde hätten gleich um die Ecke, in der Seeburger Straße, randaliert: einen geparkten Motorroller umgestoßen, die Scheibe einer Haustür eingeschlagen und eine Ampel beschädigt. Jendrik T. ist der Polizei bekannt: Mehrere Raub- und Gewalttaten, Diebstahl und Betrug stehen in seiner Akte.

Als die Polizei die jungen Männer festnahm, wehrten sie sich. Alle fünf wurden zum Tempelhofer Polizeigewahrsam gefahren. „Eine Standardmaßnahme“, erzählt ein Polizeisprecher. Dort wird den Verdächtigen Blut abgenommen und die Personalien überprüft. Zudem werden Fotos gemacht und Fingerabdrücke genommen. „Die Schnürsenkel werden nur abgenommen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Betroffene sich oder andere gefährden könnte“, sagt der Sprecher. Nur bei Festgenommenen, die später einem Haftrichter vorgeführt werden, würden Gürtel, Schnürsenkel oder Krawatten entfernt. Doch Jendrik T. und seine Freunde sollten wenig später wieder entlassen werden. Ein Angestellter habe bei seinem Kontrollrundgang in jede Einzelzelle geschaut – alles sei in Ordnung gewesen. Zehn Minuten später aber entdeckte der Angestellte Jendrik T. – er hatte sich aus seinen Schnürsenkeln eine Schlinge geknüpft und stranguliert. Weder der Notarzt noch die Ärzte im Krankenhaus konnten ihm noch helfen.

Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte, dass der Tod des jungen Mannes ihn und seine Mitarbeiter sehr betroffen mache. Was Jendrik T. dazu trieb, wird wohl ein Rätsel bleiben. Der Polizeipräsident kann auch nur mutmaßen, was es war – eine „tragische Kurzschlussreaktion“.

Am späten Abend trafen sich gestern die Familie und die Freunde von Jendrik T. vor dem Polizeigebäude am Tempelhofer Damm. Sie trauerten, zündeten Grablichter an und wurden von zwei Notfallseelsorgern betreut. Tanja Buntrock

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