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Tödliche Therapie: Patientin fühlte sich unter Druck gesetzt

Garri R. soll bei einer Therapie Patienten getötet haben. Eine Zeugin belastet den angeklagten Arzt schwer. Zwei Männer waren nach einem verabreichten Drogencocktail gestorben.

Chaos brach im Therapieraum aus. Patienten schwitzten, waren bleich, zitterten extrem. Nur einer schien ruhig zu bleiben: Garri R., der Arzt, dem sie vertrauten. „Jeder muss da durch“, habe er der Gruppe gesagt und: „Das ist das Böse in der Welt, das Böse in uns.“ So erzählte es gestern eine 53-jährige Fotografin vor Gericht. Die Zeugin gehört zu den wenigen Patienten, die in der Sitzung keine der von R. angebotenen Drogen genommen hatte. Sie sah das Elend der anderen, wollte etwas tun. Sie hörte Garri R.: „Helft nicht, bleibt bei euch!“

Nicht lange danach griff dann der Therapeut doch ein. Zwei Patienten bekamen eine Spritze. Ein Notarzt wurde gerufen. Doch die beiden Männer konnten nicht gerettet werden. Ein 59-jähriger Frührentner starb in der Hermsdorfer Praxis, ein 28-jähriger Student in einer Klinik. Seit dem Prozessauftakt gegen den Therapeuten werden nun die Patienten als Zeugen gehört. Viele verteidigten ihren Arzt. „Es geschah nichts, was nicht gewollt war“, hieß es. Die Fotografin aber schlug deutlich kritische Töne an.

„Garri R. hat mir geholfen, aber es gab Dinge, die fand ich nicht gut“, sagte sie. Wie beispielsweise die „bewusstseinserweiternden Substanzen“, die bei einer „psycholytischen Intensivsitzung“ eingesetzt wurden. Dabei habe sie sich von der Gruppe unter Druck gesetzt gefühlt. Trotzdem nahm sie nie Drogen. Doch mehrfach sei sie von anderen Patienten aufgefordert worden, ebenfalls Substanzen zu nehmen und auf eine „Reise“ zu gehen. Ob R. solche Äußerungen gehört hatte? „Selbstverständlich!“. Sie müsse nichts nehmen, könnte ihr Problem aber mit Substanzen schneller lösen, habe er ihr einmal erklärt. „Das war für mich noch stärkerer Druck.“

Die Fotografin wollte den Therapeuten „nicht enttäuschen, nicht verlieren“. Ihre Vorbehalte stellte sie zurück. „Die Gruppe war mir so wichtig“, sagte sie. Auch ihr Mann entschloss sich schließlich, zu R. in die Therapie zu gehen. Dass Garri R. illegale Drogen einsetzte, sei ihr erst später bewusst geworden. „Ich dachte zunächst, dass er als Arzt alles aus der Apotheke bekommt.“ Offen sei nie über Illegalität gesprochen worden.

Auch Garri R. nahm Drogen. Am Tag, der für zwei seiner Patienten tödlich endete, will er „eine kleine Menge LSD“ zu sich genommen haben. Danach füllte er das Amphetamin MDMA, auch als Ecstasy bekannt, in sieben Gläser. Später brachte er die Waage als möglichen Grund für die falsche Dosierung ins Spiel. Das Gerät aber soll in Ordnung gewesen sein. Als der Therapeut die Gläser austeilte, war die Stimmung feierlich. Die Wirkung setzte sehr schnell ein. „Nach zwei bis drei Minuten fing Marcel an zu sprechen, rutschte vom Stuhl und zitterte“, sagte die Fotografin.

Dem 51-jährigen Arzt wird versuchter Mord in einem Fall, Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen sowie Körperverletzung vorgeworfen. Die Fotografin ist eine wichtige Zeugin. Es geht vor allem um einen möglichen Mordversuch. Wollte Garri R. den Studenten vor dem Notarzt verstecken, um den Drogenkonsum zu vertuschen? Die Fotografin wiederholte Vorwürfe, die sie bei der Polizei erhoben hatte. Er habe in das Zimmer gesehen, in dem sie, ihr Mann, der kollabierte Student und vier weitere Patienten saßen, und gefragt: „Könnt ihr die nicht alle nehmen und mit ihnen wegfahren?“

Die Fotografin ist die Szene immer wieder gedanklich durchgegangen. Sie könne sich nicht an jedes Detail erinnern. Aber sie sei sich ganz sicher: „Wir sollten wegfahren.“ Dabei habe sie in der Situation nur noch gedacht, dass der Student sofort einen Notarzt brauche. Garri R. habe gesagt: „Unser Bus steht draußen.“ Als sie ablehnte, habe sie der Therapeut „enttäuscht, fassungslos“ angesehen. In ihrer ersten Aussage gab sie das nicht zu Protokoll. „Ich wollte ihn schützen.“ Der Vorfall aber sei für sie zu schrecklich gewesen. Mit Blick auf die Gruppe habe sie sich später gefragt: „Ist das nicht schon wie in einer Sekte?“ Nach Gesprächen habe sie dies für sich verneinen können. „Aber es gab Mechanismen, die ähnlich wirkten.“

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