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Tödlicher Einsatz: Berliner Polizei erschoss Afghanistan-Soldat

Der mutmaßliche Straßenräuber, der von der Berliner Polizei vorletzte Nacht in Neukölln tödlich verletzt wurde, war für die Bundeswehr in Afghanistan als Soldat tätig. Er soll mehrfach versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Der von zwei Zivilpolizisten in der Nacht zu Donnerstag in Neukölln erschossene mutmaßliche Straßenräuber Sebastian H. war nach Tagesspiegel-Informationen Zeitsoldat bei der Bundeswehr in Stuttgart. Die letzten sechs Monate war er in Afghanistan stationiert. Sebastian H. hatte gegenüber den Beamten eine Schreckschusspistole gezogen und war daraufhin von ihnen erschossen worden. Nach dem Ausscheiden von Sebastian H. aus der Bundeswehr sei er auf die schiefe Bahn geraten, berichtete die "Bild"-Zeitung. Nach Informationen des Tagesspiegels hatte er aber keine gravierenden Geldprobleme, die einen Raubüberfall rechtfertigten.

In der Druckerei in der Niemetzstraße, bei der Sebastian H. angestellt war, war er für die Abrechnungen zuständig und galt als sehr korrekt in seiner Arbeit. Sein Umfeld beschreibt den ehemaligen Soldaten als stillen und introvertierten Typ, der wenig sprach und kaum Freunde hatte. Kurzzeitig lebte Sebastian H. in einem Neuköllner Obdachlosenheim, bevor er eine Wohnung in Tempelhof bezog. Offenbar war Sebastian H. sehr alleine, sein Vater war erst kürzlich verstorben. Sein Chef stellte für ihn eine Art Vaterersatz dar.

"Vielleicht hat er es drauf angelegt"

Am besagten Abend soll Sebastian H. mit dem Sohn seines Chefs auf einer Kneipentour gewesen sein. Er habe den Eindruck erweckt, mit seinem Leben nicht mehr klar zu kommen. Mehrfach soll er zuvor versucht haben, sich die Pulsadern zu öffnen. Bekannte vermuten hinsichtlich des Vorfall von vorletzter Nacht: "Vielleicht hat er es drauf angelegt." Einem Bekannten gegenüber habe er nach Angaben der "B.Z." berichtet, im Afghanistan-Krieg "schlimme Dinge erlebt" zu haben. Freunde kritisieren, dass er damit alleine gelassen wurde.

Der Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald, wies eine mögliche Selbsttötungsabsicht von Sebastian H. bei dem Einsatz zurück. Die Möglichkeit, dieser wollte sich vorsätzlich von der Polizei erschießen lassen und habe deshalb die Beamten mit einer Schreckschusspistole bedroht, bezeichnete er als "Kaffeesatzleserei". Die Ermittlungen der Polizei richteten sich auf die genaue Rekonstruktion des Tathergangs und konzentrierten sich insbesondere auf die letzten Sekunden des Geschehnisses, sagte Grunwald weiter.

Reanimationsversuche erfolglos

Sebastian H. war verdächtigt worden, einen bewaffneten Raubüberfall auf einen 21 Jahre alten Touristen in der Nähe des S-Bahnhofs Sonnenallee begangen zu haben. Das Opfer hatte die Beamten alarmiert und gemeinsam mit ihnen den Täter gesucht, gab Oberstaatsanwalt Uwe-Michael Liedtke an. Als die Polizisten nur wenige Straßen vom Ort des Raubes entfernt in der Niemetzstraße einen Mann hätten stellen wollen, der von dem 21-Jährigen als Räuber erkannt worden sei, sei der tödliche Schuss gefallen. "Das Opfer verstarb trotz Reanimation durch einen Notarzt noch am Ort", sagte Liedtke. In der Nähe des Toten wurde eine Schreckschusswaffe entdeckt. Diese sehe einer echten Pistole täuschend ähnlich, erklärte der Oberstaatsanwalt weiter.

Gegen die beiden Beamten wird nun wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung ermittelt. Bei den Zivilbeamten handele es sich um zwei 30 und 35 Jahre alte Männer. Der Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft erklärte nach dem Vorfall, die Zivilbeamten hätten nach ersten Erkenntnissen richtig gehandelt.

Umstrittener Bundeswehreinsatz

Die Bundeswehr ist in Afghanistan im Rahmen des Isaf-Einsatzes seit 2002 stationiert. Nach dem Sturz der Taliban soll die Isaf die Interimsregierung unterstützen, das Land zu befrieden und die öffentliche Ordnung wiederherstellen. Die Bundesregierung stellt mit gut 3.000 Soldaten die größte Truppe für den Isaf-Einsatz. Bei der deutschen Bevölkerung ist der Einsatz wegen seiner Gefahren für die Soldaten umstritten. (imo/svo/Tsp/ddp)

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