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Unglücksort am Checkpoint Charlie. Dieser riesige Laster erfasste die Radlerin beim Rechtsabbiegen mit seinen hinteren Rädern.

© Thomas Schröder

Update

Unfall am Checkpoint Charlie: Radlerin von Laster schwer verletzt

Wieder hat ein Laster beim Rechtsabbiegen eine Radlerin erfasst und schwer verletzt. Das Unglück geschah Mittwochabend am Checkpoint Charlie. Am Freitag will die Fahrrad-Protestgruppe "Critical Mass Berlin" am Checkpoint Charlie demonstrieren.

Rechtsabbiegender Laster - überrollter Radler: In Berlin ist dies ein regelmäßig wiederkehrendes, trauriges Unfallszenario. Am frühen Mittwochabend hat sich erneut ein solches Unglück am Checkpoint Charlie in Kreuzberg. ereignet. Eine 29-jährige Radlerin wurde gegen 18 Uhr von einem Laster beim Rechtsabbiegen überrollt und schwer verletzt.

Nach bisherigen Erkenntnissen war die Frau auf der Friedrichstraße in Richtung Puttkamerstraße/Landwehrkanal unterwegs. Direkt hinter dem Checkpoint ereignete sich dann die Kollision vor den Augen vieler Touristen, die sich zu diesem Zeitpunkt dort aufhielten. Auf der Kreuzung Kochstraße/Rudi-Dutschke-Straße/Friedrichstraße erfasste der Fernlaster die junge Frau mit den Hinterrädern. Er kam gleichfalls aus Richtung Mitte und bog von der Friedrichstraße nach rechts in die Kochstraße ab. Die Kreuzung am geschichtsträchtigen Checkpoint Charlie gilt wegen der zahlreichen Fußgänger und Radler. die dort unterwegs sind, als besonders unübersichtlich.

Mutmaßlich habe der 60-jährige Fahrer die Radlerin übersehen, hieß es bei der Polizei. Vielleicht habe sie sich auch für eine Sekunde im "toten Blickwinkel" des Fahrers befunden, sei also für ihn nicht sichtbar gewesen. Die Ermittlungen zur genauen Unfallursache sind noch nicht abgeschlossen. Ein Notarztwagen brachte die Schwerverletzte in eine Klinik. Die Kreuzung war zwei Stunden lang gesperrt.

Angesichts des Unglücks haben Unfallforscher am Donnerstag gefordert, die Lkw-Hersteller müssten endlich so genannte "elektronische Abbiegeassistenten" für Lastwagen entwickeln. Dies sei die "mit Abstand" beste Möglichkeit, um das Problem des toten Blickwinkels zu lösen und Abbiegeunfälle so künftig zu verhindern, sagte Siegfried Brockmann von der Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer. Die Abbiege-Assistenten sollten ähnlich wie Parkassistenten in Pkw's Objekte in gefährlicher Nähe erkennen und melden. Allerdings müssten sie erheblich differenzierter arbeiten, damit die "Wahrscheinlichkeit von Fehlalarmen gegen Null geht", betont Brockmann. Andernfalls würden die Assistenten vom Lkw-Fahrer bald nicht mehr ernst genommen. Und sollte der Mann am Lenkrad im Alarmfall nicht rasch genug stoppen, müsste der Assistent auch eine automatische Bremsung auslösen.

Professor Hansjörg Leser von der Firma "Unfallanalyse Berlin", die mit Kfz-Behörden eng zusammenarbeitet, pflicht dem Kollegen von der Versicherungswirtschaft bei. Nach Einschätzung beider Experten reichen die besten Rückspiegel alleine nicht aus, um Unglücke beim Abbiegen zu verhindern. Zur Zeit sind bei Lastern EU-weit drei Rückspiegel an der rechten Seite und zwei Rückspiegel links vorgeschrieben. Dazu gehören beispielsweise stark gekrümmte Dobli-Spiegel, die ein großes Sichtfeld abbilden. Sie haben aber laut Hansjörg Leser den Nachteil, dass sie Radler und Fußgänger um so kleiner und weniger auffällig zeigen, je stärker ihre Krümmung ist. Aber selbst bei "perfekter Spiegelumsicht" halten die Fachleute die Lkw-Fahrer beim Abbiegen im turbulenten großstädtischen Verkehr einfach für überfordert. "Die meisten haben inzwischen eine Höllenangst, in der City noch eine Kurve zu nehmen", sagt Versicherungsmann Siegfried Brockmann. "Wir erwarten zu viel von ihnen."

Die Versicherer wollen deshalb weiterhin Druck auf die Lkw-Hersteller ausüben. Bei der Bundesregierung haben sie schon offene Ohren für den geforderten elektronischen Abbiege-Assistenten gefunden. Ende 2014 gab es im Bundesverkehrsministerium einen runden Tisch zum Thema. Auch Industrievertreter nahmen daran teil.

Die Fahrrad-Protestgruppe "Critical Mass Berlin" will am Freitagabend an der Stelle, an der das Unglück passiert ist, für einen besseren Schutz von Radfahrern demonstrieren. Das sagte ein Teilnehmer am Donnerstagvormittag. Die Gruppe veranstaltet regelmäßig Fahrrad-Proteste, bei denen sie auf der Straße so radelt, dass die Fahrbahn ganz oder teilweise für Autos nicht mehr befahrbar ist. "Der Verkehr wird nicht absichtlich gestört, es geht nicht um Verkehrsbehinderung anderer, sondern darum, sich als unmotorisierter Verkehrsteilnehmer ein Stück öffentlichen Lebensraumes, die Straße, zumindest zeitweilig zurückzuerobern", heißt es im Aufruf für die Veranstaltung am Donnerstagabend. Sie beginnt am Freitag um 20 Uhr am Mariannenplatz in Kreuzberg.

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