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Urteil in Berlin: Haftstrafe für Schwarzfahrer aus Liebe

Ein 58-Jähriger hatte kein Geld für Fahrten zum Grab seiner Frau in Nordrhein-Westfalen. Jetzt bekam er 16 Monate Gefängnis.

Herbert G. zeigte einen Fahrschein. Ausnahmsweise hatte er einen. Das Ticket allerdings kam vom Amtsgericht. Er wäre ansonsten wohl nicht oder erneut für „lau“ illegal unterwegs gewesen. Herbert G., ein arbeitsloser Fernmeldetechniker von 58 Jahren, ist juristisch betrachtet ein absolut uneinsichtiger Schwarzfahrer. Doch es ist eine Liebe über den Tod hinaus, die ihn regelmäßig nach Hagen in Westfalen zieht. „Ich fahre zum Grab meiner verstorbenen Frau, ich habe mich immer um sie gekümmert“, sagte er im neuen Prozess wegen Schwarzfahrens.

Er saß bereits zweimal in Haft, insgesamt zwölf Monate. Kaum war er frei, wurde er ohne Fahrkarte in einem ICE erwischt. Fünf neue Anklagen wurden erhoben. 55 Fälle zwischen 2012 und April 2013. Doch G. polterte: „Wir können es kurz machen, ich bin unschuldig.“ Seine Sicht: „Im ICE hatte ich das Ticket vergessen, für die S-Bahn habe ich kein Geld.“

55 Mal hat er die Beförderung erschlichen - aus Liebe

Aber das alles sei nicht wichtig, erklärte der Angeklagte. „Das sind Peanuts im Verhältnis zum Tod meiner Frau.“ Der Amtsrichter zeigte Mitgefühl. G. blieb ablehnend: „Hören Sie auf!“ Es war zu viel an Schicksal, was sich seit 1998 in seinem Leben abgespielt hat. Erst die Diagnose Krebs bei seiner Frau. Nur Tage später verlor er den Job beim Fernmeldeamt in Hagen, der bis dahin so sicher schien. „Neben der Krankheit ging das Geld weg, es war Mobbing“, schimpfte G.  

Verbitterung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Nach dem Tod der Frau im Jahr 2000 verlor er auch noch seine beiden Kinder. Er war völlig überfordert. Das Jugendamt kam und brachte sie in Pflegefamilien unter. Herbert G. kam als Wohnungsloser vor vier Jahren in Berlin an. Voller Hoffnung: „Ich dachte, in der Großstadt ist der Glanz.“ Er blieb ganz unten. Erst lebte er auf der Straße, jetzt in einem Wohnheim. Die Miete bezahle das Amt, er bekomme Grundsicherung und Witwer-Rente, insgesamt 310 Euro.

16 Monate - und er will weiter schwarzfahren

55 Mal habe er die Beförderung erschlichen, urteilte der Richter. Jeweils knapp 120 Euro Schaden. Dies als einschlägig Vorbestrafter, der unter Bewährung stand - und als ein Täter ohne Einsicht. Dass der Richter keine günstige Prognose und so keine Chance auf eine Bewährungsstrafe sah, rührte G. nicht: „Ich habe nichts zu verlieren.“ 16 Monate Gefängnis ergingen. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. G. blieb zunächst frei und verkündete: „Ich fahre weiter schwarz.“

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