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Urteil: Missbrauch an Tochter: Empörung über milde Strafe

Das milde Urteil für einen 61-Jährigen, der seine Töchter jahrelang sexuell missbraucht hatte, ist bei Opferverbänden auf Kritik gestoßen. Sie fordern mehr Rechte für Opfer. Das lange Schweigen traumatisierter Frauen dürfe nicht zu Strafmilderung führen.

Von Fatina Keilani

Der Weiße Ring bezeichnete das Urteil als „ungeheuerlich“. „Wir haben eine täterorientierte Justiz“, sagte Sprecher Helmut K. Rüster am Donnerstag. „Das Leid des Opfer findet erst allmählich Berücksichtigung, und solche Urteile machen das wieder kaputt.“

Das Landgericht hatte den Mann, wie berichtet, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, nachdem er sexuellen Missbrauch seiner Tochter in 282 Fällen gestanden hatte. Der Täter profitierte davon, dass viele Jahre vergingen, ehe das Opfer über das Erlebte sprechen konnte. Außerdem lagen die Taten laut Gericht „13 bis 18 Jahre zurück“. Das Mädchen war 1992 sieben Jahre alt, als die Taten begannen. Für ähnliche Taten an der älteren Schwester wurde W. 1998 verurteilt – ebenfalls zu Bewährung.

„Es ist skandalös, als Begründung zu sagen, das sei ja schon so lange her“, sagt auch die Geschäftsführerin von Wildwasser e.V., Iris Hölling. Wildwasser kümmert sich um Mädchen, die Opfer sexuellen Missbrauchs wurden. „Betroffene können oftmals erst viel später über das Geschehene sprechen, das sollte sich nicht strafmildernd auswirken.“ Allerdings sei es ein kleiner Erfolg, dass es überhaupt ein Urteil gebe, denn viele Verfahren endeten wegen der schwierigen Beweislage mit Freispruch.

Das bestätigt Carola Klein von Krisen- und Beratungszentrum Lara ebenso wie Rechtsanwältin Barbara Petersen. „Wir beraten die Frauen so, dass sie ihre Heilung nicht an ein Urteil hängen sollten“, sagt Klein. Das sei zu unsicher. Oftmals werde vor Gericht die Glaubwürdigkeit der Opfer in Zweifel gezogen und der Täter freigesprochen. Zeugen für den Missbrauch gebe es ja meist nicht. Klein vermisst vor allem den Beistand für die Opfer in Gerichtsverfahren. „Wir wünschen uns einen Anspruch auf sozialpädagogische Begleitung, ähnlich wie bei Kindern.“

Dass Opfer einen Anwalt auf Staatskosten gestellt bekommen, gebe es mittlerweile immerhin, sagt Helmut K. Rüster vom Opferverband Weißer Ring. Dennoch: Der Täter bekomme sofort einen Verteidiger, das Opfer hingegen sei nur Zeuge und könne nicht einmal mitbestimmen, ob die Sache strafrechtlich verfolgt wird.

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) wollte das Urteil nicht kommentieren. Der Opferschutz sei in den vergangenen Jahren gestärkt worden, sagte ihr Sprecher Bernhard Schodrowski. Auch die Verjährungsfristen seien verlängert geworden. „Das ist ein Erfolg der rot-grünen Bundesregierung“, stimmt der Grünen-Politiker Dirk Behrendt zu. „Die Verjährung läuft erst ab Volljährigkeit des Opfers.“ Früher sei eine Tat oft schon verjährt gewesen, bevor das Opfer überhaupt volljährig war. Und Schadensersatz könne immerhin 30 Jahre verlangt werden.

Dass der Prozess um mehr als 280 Fälle mit einer Bewährungsstrafe endete, sei „extrem“, wundert sich auch Rechtsanwältin Barbara Petersen. Die 44-Jährige ist spezialisiert auf die Opfervertretung bei Sexualstraftaten. „Das wird zwischen den Prozessbeteiligten abgesprochen gewesen sein, anders kann ich es mir nicht vorstellen“, sagt sie.

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