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Polizisten nehmen auf der Frankfurter Allee bei einer Demo gegen rechte Gewalt einen Teilnehmer mit einer Videokamera auf.

© dpa

Verwaltungsgericht: Polizei darf keine friedlichen Demos filmen

Das Verwaltungsgericht hat eine langjährige Praxis der Berliner Polizei gekippt: Zukünftig dürfen auf Demonstrationen keine Videoaufnahmen mehr gemacht werden, wenn keine Gewaltabsichten der Teilnehmer erkennbar sind.

Die Polizei darf Teilnehmer von friedlichen Demonstrationen nicht mehr filmen. Für diese seit Jahren gängige Praxis fehle eine gesetzliche Grundlage, hat jetzt das Verwaltungsgericht entschieden. Bilder dürfen nur aufgenommen werden, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte gebe, dass von den Teilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgingen, wie es im Versammlungsgesetz steht. Während es bei der Polizei am Dienstag hieß, sie prüfe das erst am Montag zugestellte Urteil noch, teilte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) mit, er teile die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht. Für die Humanistische Union ist dagegen durch die Entscheidung die Demonstrationsfreiheit erheblich gestärkt worden.

Die Polizei hatte bisher bei größeren Demonstrationen Aufnahmen direkt in die Einsatzzentrale gesendet. Dort sollten so schnelle Entscheidungen zur Einsatztaktik, aber auch zur Verkehrslenkung, ermöglicht werden. Rechtsanwältin Ulrike Donat kritisierte, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass dabei auch gezielt einzelne Teilnehmer einer Demonstration erfasst wurden. Die Klage war nach dem Filmen einer – friedlich verlaufenden – Anti-Atom-Demonstration im vergangenen September eingereicht worden.

Eine Berufung gegen das Urteil ließ das Gericht nicht zu. Gegen die Nichtzulassung der Berufung kann aber Beschwerde eingelegt werden. Sollte die Entscheidung obergerichtlich bestätigt werden, sei der Gesetzgeber gefordert, erklärte Körting. Aus Gründen der Gefahrenabwehr sei bei allen Großveranstaltungen eine Live-Beobachtung durch die Einsatzleitung der Polizei notwendig. Fredrik Roggan von der Humanistischen Union forderte, bei einer eventuellen Novellierung des Versammlungsrechts den Grundgedanken der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu beachten, das im Filmen einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit sowie eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild der Demonstranten sieht, was die Juristen als Recht „auf informationelle Selbstbestimmung“ bezeichnen.

Nach Angaben der Polizei gab es im vergangenen Jahr 2912 Demonstrationen. Wie oft gefilmt worden war, wurde nicht mitgeteilt. Das Urteil gilt nur für Demonstrationen. Zulässig bleiben Aufnahmen bei anderen Großveranstaltungen wie die Fanmeile bei der Fußball-Weltmeisterschaft oder auch bei Fußballspielen in und vor dem Stadion.

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