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Vorgehen gegen die Bandidos: Großrazzia: Polizei beschlagnahmt Drogen und Waffen

Es war eine der größten Razzien gegen Rockerbanden in der Region überhaupt: Bei den Bandidos aus Hennigsdorf hat die Polizei Drogen in rauen Mengen und Waffen beschlagnahmt, die GSG9 rückte mit schwerem Gerät an.

Die Rocker in der Region finden keine Ruhe mehr: 1100 Polizisten – darunter die Anti-Terror-Einheit GSG 9 – haben am Donnerstag zahlreiche Räume von Männern der Bandidos durchsucht. Die Bruderschaft gilt auch international als wichtigste Rockergruppe nach den Hells Angels. Die Ermittler sind schon seit Juli 2011 vor allem den Bandidos aus Hennigsdorf im Berliner Norden auf der Spur. Es geht um Bandenkriminalität und Drogengeschäfte im großen Stil mit Kokain, Marihuana, Amphetaminen und dem Schmerzmittel Tilidin, dass in einschlägigen Kreisen als Angstblocker genutzt wird. Am Dienstag schlug die Polizei in den frühen Morgenstunden dann mit einem Großaufgebot von 1100 Beamten in Berlin und Brandenburg zu. Es war eine der größten Razzien gegen Rockerbanden in der Region überhaupt.

Insgesamt wurden 79 Objekte in Berlin und Brandenburg durchsucht, dreizehn Personen festgenommen, acht davon sitzen in Untersuchungshaft. Zufällig wurde ein per Haftbefehl gesuchter Bandido aus Dänemark gefasst. Die Polizei beschlagnahmte ein Chemielabor, mit dem mutmaßlich Drogen hergestellt wurden. Daneben wurden diverse Schusswaffen wie Gewehre und eine abgesägte Schrottflinte, Munition, Messer, zwei gestohlene Motorräder, vier Autos, Drogen und mehrere Ampullen Testosteron sichergestellt.

In Hennigsdorf, wo die Bandidos in einem heruntergekommenen Gebäude mit ihrem lokalen Club "Del Este" seit September 2011 residierten, rückten mit der GSG9 Spezialkräfte der Bundespolizei mit Schlagbohrer und Blendgranaten an. Über der Stadt kreiste ein Polizeihubschrauber, Schlagbohrer, Brecheisen und Blendgranaten kamen zum Einsatz. Mithilfe von Leitern verschafften sich die maskierten und schwerbewaffneten Beamten Zutritt zu dem Clubhaus. Dort erschossen sie einen Hund, der auf die Polizisten losging. Die Polizei setzte Rauschgiftspürhunde ein.

Dass am Donnerstag auch die GSG 9 im Einsatz war, erklärt die Polizei mit der Vielzahl der zu durchsuchenden Objekte. Normalerweise wird die Eliteeinheit des Bundesinnenministeriums bei Antiterroreinsätzen angefordert, für Razzien gegen Rocker sind meist die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer da – nur die waren am Donnerstag fast komplett in der Hauptstadtregion schon im Einsatz.

Sehen Sie hier eine Bildergalerie zur Rockerkriminalität in Deutschland:

Im Clubhaus selbst trafen die Beamten ein Kind, vier Frauen und sechs Männer an. Sie wurden von der Razzia offenbar völlig überrascht. Offenbar hatten sie im Innenhof noch am Abend zuvor gefeiert, ein Grill und Wurstverpackungen lagen dort herum. Unter den Bewohnern war auch Thorsten S., der Präsident des Clubs, den die Polizei in Handschellen abführte und zur Vernehmung mit nach Berlin nahm. S. war selbst einmal Beamter, wurde aber 1997 wegen eines brutalen Überfalls auf einen hochrangigen Wirtschaftsboss verurteilt. Er war auch in ein Verfahren gegen einen Polizisten verwickelt, in dem um eine Kennzeichenlisten von zivilen Einsatzwagen der Polizei ging, die bei den Bandidos kursierte. Am Dienstagmorgen wurde auch das Anwesen seiner Familie in Hermsdorf von Spezialeinsatzkräften gestürmt.

In Berlin durchsuchten die Beamten fast 30 Wohnungen und Arbeitsstätten, in Brandenburg waren es fast 50 Objekte, vor allem im nördlichen Umland, neben Hennigsdorf in Birkenwerder, Glienicke, Vehlefanz, Oranienburg, aber auch in Potsdam. Gegen sieben Bandidos wurden Haftbefehle wegen Drogenhandels vollstreckt. Fünf weitere wurden vorläufig festgenommen, weil bei ihnen Drogen und Waffen gefunden wurden. Gegen sie sollen noch Haftbefehle erwirkt werden.

Ein Sprecher der Bandidos äußerte sich am Donnerstag auf Nachfrage nicht zu der Razzia. Innensenator Frank Henkel (CDU) dagegen will die Rockerszene weiter unter Druck setzen. „Das wird nicht der letzte Schlag gewesen sein“, sagte er.

Erst kürzlich waren tausende Polizisten gegen Hells Angels und Bandidos im Einsatz. Am Dienstag suchten Beamte in Nordrhein-Westfalen nach Verdächtigen im Fall eines lebensgefährlichen Streits zwischen Hells Angels und Bandidos. Fast zeitgleich gab es eine Razzia im Hells-Angels-Treff in Potsdam. Zuvor hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) Verbotsverfahren gegen zwei Hells-Angels- und eine Bandidos-Dependance eingeleitet: Die Rocker waren aber offenbar darüber informiert, sie lösten ihre Clubs kurz zuvor weitgehend auf.

Immer wieder war bekannt geworden, dass Rocker an interne Informationen der Behörden kommen. Im Jahr 2006 hatten Fahnder bei einem Bandidos-Mitglied aus dem Umfeld von Thorsten S. eine Liste mit Kennzeichen ziviler Polizeifahrzeuge gefunden – sie stammten von einem Brandenburger Beamten. Allein in den vergangenen 15 Monaten hat es in Berlin zwei Verfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen in Rockerkreisen gegeben. Zuvor war 2010 ein 24-jähriger Polizist erwischt worden, der einem ebenfalls erst 23 Jahre alten Jugendfreund einen Gefallen tun wollte. Der Freund war Mitglied der kürzlich von Senator Henkel verbotenen Hells Angels in Reinickendorf – und war vor Razzien im Vereinsheim in der Residenzstraße gewarnt worden, nachdem der junge Beamte in den Polizeicomputer geschaut hatte.

In Justizkreisen wird die gelegentliche Nähe zwischen ehemaligen oder aktiven Beamten und Rockern so beschrieben: „Viele Polizisten stehen auf Sport, vor allem Kraft- und Kampfsport – und viele Rocker stehen auf Sport, vor allem Kraft- und Kampfsport. Und so sieht man sich eben in Studios und auf Wettkämpfen.“ Dass darüber hinaus sowohl für einige Polizisten als auch für Rocker zur Schau gestellte Männlichkeit, Abenteurertum und Loyalität hoch im Kurs stünden, mache es für Beamte manchmal schwer, hinter dem Kumpel vom Bankdrücken einen Gegner zu sehen. Die Funktionäre der Gewerkschaft der Polizei fordern vielleicht auch wegen des relativen Erfolgs der Rocker im Umgang mit Behörden vehement ein Verbot der Bruderschaften.

Die Bandidos Del Este mit ihren 20 Mitgliedern und weiteren 50 Anhängern in den Unterstützerclubs gelten als besonders aggressiv, sind vor allem in Berlin aktiv und stehen unter besonderer Beobachtung der Polizei. Die Ermittler befürchten Racheakte des Hennigsdorfer Clubs, einerseits im Zuge der Konflikte mit den Hells Angels in den vergangenen Monaten, andererseits, weil zwei Berliner Bandidos-Clubs sich aufgelöst haben und zu den verfeindeten Hells Angels nach Potsdam übergelaufen sind. "Wir sind selbst erstaunt, wie ruhig die bislang waren", sagte ein Ermittler. Die Razzia steht aber nicht im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Polizei gegen die Hells Angels in Berlin Ende Mai. Die Aktion gegen die Bandidos war seit mehr als einen Monat geplant.

Das Chapter „Del Este“ mit seinen 20 Mitgliedern und 50 Anhängern gilt als besonders aktive Dependance der Bandidos. In Hennigsdorf fiel die Gruppe schon eine Weile auf, bereits im März gab es eine Razzia. Ermittler suchten in einem Verfahren wegen Schutzgelderpressung nach einer Pistole. Vor vier Jahren waren Bandidos in Hennigsdorf von rivalisierenden Rockern aus dem Umfeld der Hells Angels angeschossen worden – beide Seiten waren sowohl in Berlin als auch Brandenburg aktiv. Die Hennigsdorfer Bandidos hatten auch ihre Hilfe als Sicherheitsdienst angeboten. Vergangenes Jahr erließ die Polizei für ein Stadtfest ein Kuttenverbot. Auf den szenetypischen Lederwesten wird die Clubzugehörigkeit und der individuelle Status in der Hierarchie der Bruderschaft zur Schau gestellt.

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